Samstag, 30. August 2008

Katholischer Bildersturm


Wer sich ein wenig mit Kunstgeschichte befasst, wird in der Geschichte des Kirchenbaus eine seltsame Lücke entdecken: den Anfang des 19. Jahrhunderts. Fast keine Kirche, die in dieser Zeit gebaut wurde, entspricht dem wichtigsten Kunststil dieser Epoche, dem Art Deko. Und von den wenigen, die in diesem Stil gestaltet wurden, sind die wenigsten erhalten.

Es gab - und gibt - aber auch Gegenbeispiele. Die Beuroner Benediktinermönche entwickelten um die Jahrhundertwende ihren eigenen Kunststil, den Stil der Beuroner Schule. Die graphische Gestaltung der letzten Ausgabe des ebenfalls in Beuron herausgegebenen lateinisch-deutschen Schott war ganz im Stil der Schule, gewissermaßen einem katholischen Nebenzweig des Art Deko gestaltet.

Als Anfang des 20. Jahrhundert die Abtei St. Hildegard in Rüdesheim-Eibingen als Zweig der Beuroner Kongregation des benediktinischen Ordens neu errichtet wurde, war es selbstverständlich, daß die Kirche im Stil der Beuroner Schule ausgestaltet wurde. Der Beuroner Pater Paulus schuf mit dieser Kirche sein Lebenswerk.

Die Nonnen des Konvents lebten in einem einzigartigen Kunstwerk. Bis 1967. Da ließ die damalige Äbtissin nicht nur den Hochaltar abreißen und das kunstvollen Gitter vor dem Nonnenchor auf den Schrott schaffen, auch die Kirche sollte ganz in weiß angelegt werden, die "kitschigen" Bilder sollten verschwinden.  Vor allem die haushohe Mariendarstellung auf der dem Nonnenchor zugewandten Seite verschwand, selbst die Abbildung der Heiligen Hildegard wurde von den sie begleitenden Engel "befreit", die Darstellung von Bäumen und Pflanzen mußte der neuen, fast schon evangelisch-reformierten Auffassung weichen. Der zuständige Bischof konnte noch verhindern, daß die ganze Kirche weiß überstrichen wurde, im Nonnenchor war allerdings nichts mehr zu retten. 

Das sei alles zu dunkel und zu kitschig, außerdem solle nach dem zweiten Vatikanum nun alles einfach sein, der "Pomp" solle verschwinden, so die damals amtierende Äbtissin. Heute haben die Nonnen - die im übrigen auch den gregorianischen Choral in lateinischer Sprache pflegen - die alten Bilder wiederentdeckt. Zur hundertjährigen Feier der Weihe wurde eine Computerrekonstruktion der früheren Ausmalung erstellt, die noch bis zum 3. Oktober besichtigt werden kann. 

Um die Irrtümer des katholischen Bildersturms der 60iger Jahre wieder zu beheben, fehlt den Nonnen allerdings das Geld. Erst müßte mal das Dach neu gedeckt werden. Das ist leider auch hundert Jahre alt. Den Konvent sollte man sich unbedingt ansehen, und natürlich auch anhören. 

Ein Brocken zum Kotzen



In einer Einladung zu einem Bittlinger-Konzert in einer Katholischen Kirche lesen wir:

Clemens Bittlinger zu Gast bei "FREUNDEN"

Mit seinem neuen Soloprogramm „Habseligkeiten“ trifft Liedermacher & Pfarrer Clemens Bittlinger einmal mehr den Nerv der Zeit. In diesem besonderen Konzert präsentiert er u.a. auch zwölf neue Songs des gleichnamigen Albums. Seit einem Jahr hat Bittlinger zusammen mit Dieter Falk und David Plüss an diesem Werk gefeilt. Herausgekommen ist ein wundervolles Album, prall gefüllt mit einfühlsamen Melodien, erstklassigen Texten und äußerst abwechslungsreichen Arrangements.

... Trauer und Hoffnung, Humor und Wut auf Ignoranz, das sind die Grundthemen dieses neuen Bittlinger-Programms. Ein offizieller Song zum Kirchentag 2009 „Mensch, wo bist Du?“ darf hier ebenso wenig fehlen, wie die augenzwinkernde Einladung an den Papst: „Mensch, Benedikt, ich würde gerne ein paar Schritte mit dir gehen …“

Clemens Bittlinger ist Pfarrer und der evangelische Liedermacher. Mit über 200.000 verkauften CDs Gesamtauflage und jährlich hundert Konzerten bundesweit zählt er zu den erfolgreichsten Interpreten seines Genres.

Und am 30. August 2008 um 19.00 Uhr spielt er solo für Freunde in der Katholischen Kirche in Weiterstadt.

Wie es die FAZ vor kurzem in Bezug auf "Wir sind Kirche" sagte: Wer solche "Freunde" hat braucht keine Feinde mehr.

Freitag, 29. August 2008

Bildersturm, katholisch


Für gewöhnlich versteht man unter den "Katholiban" radikale oder besser gesagt fundamentalistische, noch besser gesagt extremistische Katholiken. Doch den Titel könnte man auch anders verstehen.

Nehmen  wir den zweiten Teil dieses Kunstwortes. Was zeichnet die Taliban in den Augen der Welt aus? Was war die Aktion, die als die bekannteste, am klarsten ihr Wesen bezeichnende Gewalttat gilt?

Fragt man nach, wird den meisten mit einiger Sicherheit die Sprengung der Buddhastatuen von Bamian einfallen. Mit Sprengstoff, Maschinengewehren und Kanonen zerstörten die Taliban ein jahrtausendealtes einzigartiges Ensemble vom Statuen. Eines der letzten alten Weltwunder, die größten Buddhastatuen der Welt. Vergleichbar mit den Pyramiden von Gizeh, der Kathedrale von Chartres, der Saint Chapelle, dem Taj Mahal oder auch der Kabaa.

Ein moderner Akt des Ikonoklasmus, des Bildersturms. Gerichtet gegen eine andere Religion, und damit gleichzeitig ein Akt der Intoleranz, ein Gewaltakt, der sich nicht nur gegen das Bild, sondern vor allem gegen die Menschen richtet, denen dieses Bild heilig war und immer noch ist. 

Den Kampf gegen die Bilder kämpften und kämpfen nicht nur die Taliban. Die orthodoxen Ikonoklasten, die calvinistischen Bilderstürmer, die Schwärmer zählen zu einer Tradition, die keineswegs nur  islamisch ist, auch wenn sich eigenartige geistige Verbindungen zeigen. 

Wer an den Bildersturm denkt, denkt an die Schwärmer des Mittelalters, an die Kunsttradition des Islam, die die Darstellung von Menschen vermeidet, und deren kreative Energie sich auf Kalligraphie und Arabeske beschränkt.

Katholiken scheint der Ikonoklasmus fremd zu sein. Die verbrennen keine Bilder, zerhacken keine Altäre, übertünchen keine Kirchenwände. Falsch gedacht. Auch in der Tradition des Katholizismus gibt es den Bildersturm. Beeinflußt durch den freudlosen und bilderfeindlichen Protestantismus wurde so manches Bild übermalt und versteckt, brach eine ganze bildnerische Tradition ab, beeinflußt durch die Aufklärung wurde so manches Gnadenbild zerstört und im Hinterzimmern versteckt oder landete im Kunstmuseum, beeinflußt durch den Geist der sechziger wurden hundert von Altären beseitigt, altehrwürdige Hochaltäre verhunzt und zur Staffage degradiert. 

Auch der oben abgebildete Magdalenenaltar, eines der wenigen vollständig erhaltenen Werke Lucas Cranachs sah nach dem Tridentinum anders aus als vorher. Bis vor wenigen Jahren war Evas entzückender Rücken von Blattwerk verdeckt, erst die Restauration brachte die Renaissance-Version zurück. Ein harmloses Beispiel, über das man noch lächeln könnte. Aber es gibt andere, die eher zu Tränen rühren.

Es gibt sie auch, die bilderstürmerischen Katholiban. Ihnen werde ich auf diesem Blog ein eigenes label widmen.

Mittwoch, 27. August 2008

Bittlinger II: Unlauterer Wettbewerb

Bittlingers Papst-Bashing-Song sei, so behauptet Bittlinger, Ergebnis eines spontanen Entschuß am 10.7.2007 gewesen. Der Vatikan habe "mal wieder" verbreitet, daß es eine Kirche im eigentlichen Sinne . die katholische Kirche - und andere gebe. Aus lauterer Empörung habe er noch im Flieger sein Papst-Bashing-Video komponiert. Wollen wirs glauben? Eher nicht.

In dem am 10.7.2007 veröffentlichten Dokument wiederholt die Glaubenskongregation längst bekannte Lehren, beruft sich auf jahre- bis jahrzehntealte Papiere des Vatikanischen  Konzils von Lumen Gentium über unitatis redintegratio bis Orientalium Ecclesiarum, auf Erklärungen von Paul dem VI wie von Johannes Paul dem II. Nichts daran ist neu, nichts ist für einen leidlich gebildeten katholischen wie protestantischen Christen wirklich aufregend. Das Papier beschreibt nicht viel mehr als die Differenzen, die zwischen den christlichen Glaubensgemeinschaften seit dem 16. Jahrhundert bestehen. Kältester Kaffee, noch aus Zeiten, als dieses Getränk in Europa noch nicht einmal in Gebrauch war.

Daß dieses Papier wirklich Anlaß dieses Songs war, ist kaum bis gar nicht glaubwürdig. Papst-Bashing hat B. vielmehr schon immer betrieben, bei zahlreichen passenden und unpassenden Gelegenheiten. Die neue Qualität, die besondere Schmutzigkeit dieses Sudel-Songs, in dem wirklich alles verwurstet wird, von der Komdomfrage bis zur angeblichen Lehre von der Existenz eines "limbus puerorum" bis zum volksfeindlichen Gerauch einer "toten Sprache" hat andere Gründe.

Das ökumenische Miteinander, daß offenbar von protestantischer Seite von der Illusion getragen wurde, die katholische Kirche werde sich im protestantischen Sinne reformatorisch selbst zerlegen, ist einem militanter werdenden Gegeneinander gewichen.

EKD-Vorsitzender Huber spielt da den Vornehmen, der protestantische Oberbänkelsänger offenbar eher den Schlagetot. Was bei Huber "Ökumene der Profile" heißt, und eher intellektuell-dezent daherkommt, nimmt bei Bittlinger den Charakter einer veritablen Hate-Session an. Mal  mit dem Florett, mal mit der Nagelkeule wird dem Publikum die stets gleiche Botschaft beigebogen. Hie die Kirche der Freiheit - dort das finstere Mittelalter - hie der Ausschluß wiederverheirateter Geschiedener von der Kommunion - dort die folgenlose Scheidung einer "Bischöfin" - hie das Festhalten an einem rein männlichen Klerus - dort die Zulassung von Pfarrerinnen, die Weihe von Bischöfinnen, die Ernennung offen schwuler Pastoren, der Aufstieg verpartnerter Homosexueller in höchste Kirchenämter - hie das Verbot jeglicher künstlicher Empfängnisverhütung - dort das Kondom als Menschenrecht - hie das vollkommen überflüssige Nachdenken über das Seelenheil abgetriebener Kinder (dies war Anlaß und wichtigstes Thema der Internationalen Theologenkommission) - dort die mittlerweile selbstverständliche Teilnahme am staatlichen System der quasilegalen Massenabtreibung - hie das strikte Verbot jeglichen Mißbrauchs menschlicher Embryonen selbst in Form der künstlichen Befruchtung - dort die Moderne, sprich die angeblich "einmalige" Verschiebung des Stichtags des Embryonenschutzgesetzes - hie das standhafte Festhalten an überkommenen Glaubenssätze der Kirche - dort die unverblümte Umdichtung der Heiligen Schrift in Form der Bibel in "gerechter Sprache"

Wären katholische Kirche und EKD Unternehmen und gälte das UWG, die EKD könnte die eingenommene Kirchensteuer schön längst in Form allfälliger Bußgelder wegen Verstoßes gegen die Regeln des lauteren Wettbewerbs an die katholische Kirche weiterleiten. 

Und was die Tirade gegen den Gebrauch des Lateinischen angeht: war da bei Bittlinger nicht vielleicht ein bißchen Antipropaganda gegen die unliebsame künstlerisch-musikalisch Konkurrenz im Spiel?  Ist nicht kommerziell gesehen, das textlich banale wie musikalisch belanglose sogenannte "Neue geistliche Lied" auf dem absteigenden Ast? Ist nicht die lateinisch singende Konkurrenz mittlerweile weltweit deutlich erfolgreicher? Macht es B. nicht vielleicht ein wenig neidisch, daß da ein paar Mönche ohne Poparrangement und Synthesizersound mit uralten lateinischen Gesängen die Charts stürmen, in die es Bittlinger noch nie geschafft hat? Haben die internationalen musikalischen Schwergewichte - nehmen wir mal Sinead O´Connor, nicht die lateinischen Hymnen ihrer Kindheit wiederentdeckt, und singen sie mit neuer Begeisterung.

Auf meinem Plattenteller dreht sich jedenfalls Sinead´s Interpretation von  "o filii et filiae" und nicht des Guitare klampfenden Provinzpfaffen Bittlinger "Aufstehen, aufeinander zugehen"


Sonntag, 24. August 2008

Confessio Augustana KKK und Schott für Bittlinger!!

Kurz nach dem Weltjugendtag initiierte eine Gruppe katholischer Blogger die erfolgreiche 
Initiative "Katechismus für Käßmann". Anlaß war die von Miß Käßmann offenbarte Unkenntnis grundlegender theologischer Lehren der Kirche zu Fragen von Sündenvergebung und Ablaß.

Nun gibt es wieder gute Gründe an der Qualität der Ausbildung evangelischer Theologen zu zweifeln. Diesmal ist es "der" protestantische Liedermacher Clemens Bitlinger, der in seinem Song "Mensch Benedikt" ein geradezu unterirdisches theologisches Niveau erreicht.

Selbst für einen mittelmäßig informierten Christen dürfte das Anhören dieses Liedes kaum ohne - wahlweise - Wutausbruch (unchristlich) oder  Brechreiz (christlich)  zu überstehen sein doch wer sich das antun will, bitte hier: Brechmittel

Zentrale Thesen:

"Wie kann da einer vor den Indios stehen und behaupten, ihre Väter hätten Christus still ersehnt?" 

"Warum schmähst Du andere Christen? Warum suchst Du offen Streit und sagst "Ihr seid keine Kirche, weil ihr fehlerhaft seid?"

"Du verbietest die Kondome auch den Armen dieser Welt, förderst damit AIDS Verbreitung"

"Zwischendurch schaffst du die Vorhölle für ungetaufte Babies ab"

"Da wir, die armen Laien, sowieso kaum was verstehen, hören wir demnächst lateinisch, wenn wir in die Messe gehen"

Und zum Schluß noch den altatheistischen Bestseller:

"Jesus sagte:  das Reich Gottes bricht bald auf der Erde an. Leider kamen nur die Kirchen"

Da genügt nun nicht mehr nur der Katechismus. Dringend erforderlich ist eine Fortbildung durch die Lektüre der Confessio Augustana, der Bittlinger möglicherweise entnehmen könnte, daß die lutheranische Konfession dem sinnlich-manifesten Kirchenverständnis des Katholizismus eine gewissermaßen virtuell-geistige Auffassung von Kirche entgegenstellt, daß also der Protestantismus niemals kirchlich sein wollte, in dem Sinn, in dem es die una sancta ecclesia catholica et apostolica stets war.

Sinnvoll wäre auch die Lektüre des Schott, aus der sich die Lehre ergeben könnte, daß die katholische Kirche liturgisch die lateinische Sprache niemals abgeschafft hat.

Ganz besonders ans Herz zu legen, wäre die Lektüre des Katechismus, aus der sich erschließt, daß die Lehre  eines "limbus puerorum" einer "Vorhölle für Kinder" niemals offizielle Lehre der Kirche war, somit Benedikt - auch wenn es der Spiegel anders berichtet  - nicht die Lehre von der  "Vorhölle" abschaffen konnte, gab es sie doch als Lehre der Kirche nie.