Mittwoch, 11. November 2009

Der Neue Heilige Martin

   Ein Artikel in der FAS am Sonntag vor dem Martinsfest hat mich zum Nachdenken gebracht. Wen feiern wir da? Oder anders gesagt, warum feiern wir Martin so und anders, als das Mittelalter das Fest des heiligen Martin gefeiert hat? Warum bleibt von diesem facettenreichen Heiligen nur die eine Facette, nur die eine Legende, die Legende von dem mildtätigen Soldaten, der an einem bitterkalten Tag seinen Mantel, genauer gesagt, den Mantel des römischen Kaisers zerschneidet, um einen frierenden Bettler zu kleiden?
   Die mittelalterlichen Legenden waren umfangreicher, dort begegnet uns nicht nur Martin der junge barmherzige Soldat, sondern auch Martin der Mönch, Martin der Kämpfer, Martin der Bischof, Martin der Wundertäter, Martin der Missionar. Seit der Zeit der Merowinger war Martin vor allem der Schutzpatron des fränkischen Reiches und der fränkischen Armee, seine Cappa wurde dem fränkischen Heer vorangetragen, wie die Heilige Lanze dem Heer der Deutschen. Die Cappa sollte Sieg und Heil bringen. So wie der Heilige dem römischen Kaiser Sieg und Heil gebracht hat.
Zu den Zeiten hub sich in des Kaisers Landen große Irrung und Streit. Da gelobet der Kaiser Grafen, Rittern und Knechten großen Sold, daß sie ihm hülfen. Und da sie zu Sankt Martin kamen, da sprach er: "Ich will nicht mehr streiten, wann ich will Gottes Ritter sein, den hab ich mir zu einem Herrn auserwählet." da saget man es dem Kaiser, der sprach: "Es ist darum, daß du dich hüten willst, daß du nicht erschlagen werdest. Denn du bist ein zager Mann." Da sprach er: " Du sprichst, es sei meine Zagheit, so tut es doch der göttliche Glaube. Darum will ich mit dir, und will dich sehen lassen, daß ich gar kühn und stark bin. Und will in dem Namen Jesu Christi mit dir reiten ungewappnet. Und will weder Schild noch Helm haben zur Schirm. Und will mit meines Herrn Kreuz durch all deine Feinde dringen ohn allen Schaden." Da sprach der Kaiser:"Das mußt du je tun." Da unterstund Gott den Streit und die Not durch seinen Diener Sankt Martin, und ergaben sich dem Kaiser all seine Feind. Da ließ Sankt Martin von all seiner Ritterschaft und ging von Vater und Mutter.
   So die Version der weitverbreiteten Druckschrift "Der Heiligen Leben und Leiden" aus dem 15. Jahrhundert. Ähnlich die legenda aurea. Diese Legende scheint vergessen, wo sie doch den Franken so wichtig war.
   Daß auch die Lesungen und Orationen im neuen Messbuch radikal umgestaltet wurden macht ein ander mal aus dem Heiligen Martin der Franken einen anderen Heiligen. Die "Alte" Lesung handelt vom Licht des Glaubens, passend für ein Heiligenfest im dunklen kalten November, wie ja die meisten Winterfeste von Allerheiligen und Allerseelen, über Lucia, Weihnachten und Mariä Lichtmeß Lichterfeste sind. (Luc. 11, 33-36)
Nemo lucernam accendit et in abscondito ponit neque sub modio. Sed supra candelabrum ut qui ingrediuntur lumen videant. Lucerna corporis tui est oculus tuus. Si oculus tuus fuerit simplex. totum corpus tuum lucidum erit; si autem nequam fuerit, etiam corpus tuum tenebrosum erit. Vide ergo, ne lumen quod in te est, tenebrae sint. Si ergo corpus tuum totum lucidum fuerit, non habens aliquam partem tenebrarum, erit lucidum totum, et sicut lucerna fulgoris illuminabit te 
In der Übersetzung Luthers:
Niemand zündet ein Licht an und setzt es an einen heimlichen Ort, auch nicht unter einen Scheffel, sondern auf den Leuchter, auf daß, wer hineingehet, das Licht sehe. Das Auge ist des Leibes Licht. Wenn nun dein Auge einfältig sein wird, so ist dein ganzer Leib licht. So aber dein Auge ein Schalk sein wird, so ist auch dein Leib finster. So schaue darauf, daß nicht das Licht in dir Finsternis sei! Wenn nun dein Leib ganz licht ist, daß er kein Stück von Finsternis hat, so wird er ganz licht sein und wird dich erleuchten wie ein heller Blitz.
Ich will ja nicht immer meckern über die Leseauswahl der modernen Liturgie(Mt. 25, 31-40), aber im dunklen November, in dem in Deutschland die Zahl der Selbstmorde auf seinen Jahreshöhepunkt steigt, braucht es da nicht einen Lichtblitz?

Das Bild zeigt so plastisch wie es das Mittelalter für angebracht hielt, die Mantel-Legende und als Zugabe den Heiligen Nikolaus. Es stammt von einem unbekannten Künstler der 15. Jahrhunderts.

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