Freitag, 31. Dezember 2010

Mit neuen Augen



Mählich beginne ich, mich an meine neuen Augen zu gewöhnen. Die Welt ist jedenfalls bunter und klarer geworden. Euch alles Liebe und Gute fuer (schwedische Tastatur enthält keinen Umlaut ue) das neue Jahr.

Dietrich Bonhoefers "Von guten Mächten" ist jedenfalls das einzige, wenigstens das schönste Neujahrslied, das sich in christlichen Gesangbuechern findet.

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben,
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Ref:
Von guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Noch will das Alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach, Herr, gib unsern aufgescheuchten Seelen
das Heil, für das Du uns beweitet hast.

Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus Deiner guten und geliebten Hand.

Doch willst Du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört Dir unser Leben ganz.

Lass warm und still die Kerze heute flammen,
die Du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht.

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all Deiner Kinder hohen Lobgesang.

Dienstag, 14. Dezember 2010

Lucia und ein Dankeschön


Als schwedisches Mädchen hat man am 13.12. etwa vier Möglichkeiten der Darstellung. Die interessanteste ist zweifellos Lucia. Allerdings in der Familie der ältesten Schwester vorbehalten, im Kindergarten nicht so streng limitiert, ab Schulalter gibt es eigentlich nur eine einzige Lucia pro Schule (eine pädagogische Herausforderung ersten Ranges). Dann Tärna (Jungfrau) ebenfalls zahlenmäßig begrenzt, aber beliebt, für die Mädchen, die gar keine Lust haben, in weißen Kleidern einherzuschweben bleibt die Möglichkeit, als Tomte (eine Art schwedischer Gnom) oder als Pepparkaksgubbe aufzutreten. Jungen bleibt da nur die Rolle des Stjärngosse (eher unbeliebt) oder wiederum als Tomte (eher männlich) oder als Pepparkaksgubbe (gewissermaßen die Genderversion).

Man sieht, das ist eher ein Fest für Mechen, wie meist. Wobei im ziemlich gendermaingestreamten Schweden eigentlich alle Kinder Lucia sein dürfen, auch die Jungen. (Für Gegner des Gender-Mainstreaming sei gesagt, daß dies eine seeeeeeeehr theoretische Möglichkeit ist).  Die Behauptung, man könne nur als langhaarige schwedische Blondine Lucia werden, wird von dem meist politisch äußerst korrekten Schweden heftigst bestritten, allerdings fiel in den letzten Jahrzehnten der Geschichtsschreibung die Wahl landauf, landab meist völlig zufälligerweise immer auf ein schwedisches Mädchen mit langen blonden Haaren.

Meine jüngere Enkeltochter Naomi als Tärna.

Mir geht es wieder besser, die Star-Operation ist einäugig überstanden, ich stelle erstaunt fest, daß die Welt in roten grünen blauen Farben sowie deren Mischtönen strahlt, statt wie bisher in einem milden altrosa bis mittelblaugrau. Danke für Eure guten Wünsche und für Eure Gebete. Am Freitag folgt der nächste Akt, und diesmal sind die Voroperationsbauchschmerzen zwar noch da, aber merklich geringer. 

Montag, 13. Dezember 2010

Lucia in Stockholm



Gestern abend - einen Tag nach den islamistischen Terroranschlägen - fand in Stockholm wieder das große Konzert zu Ehren der Heiligen Lucia statt. Daß im erzprotestantischen Schweden nicht nur das größte Fest des Winterhalbjahres der Heiligen Lucia geweiht ist, sondern auch ein urkatholischer Hymnus in lateinischer Sprache gesungen wird, finde ich bemerkenswert.

Mittwoch, 8. Dezember 2010

8. Türchen



Das Alma redemptoris mater in feierlicher Form. Zum heutigen Festtag.

Immaculata, Blogpause und eine kleine Bitte


Der 8. Dezember ist eigentlich immer mein großer Tag. Weil ich vor 8. Jahren an einem 8. Dezember in die Kirche aufgenommen wurde. Und weil ich außerdem kein Dogma so vielschichtig und interessant finde, wie das, das wir am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Gottesmutter Maria feiern. Mir fehlt es heute allerdings ein bißchen an der Konzentration, um Lesbares dazu zu produzieren.

NLM hat eine kleine Sammlung patristischer Texte ins Netz gestellt, und die Blogozese hat sich heute auch viel Mühe gegeben.

Für mich beginnt heute eine mindestens mehrtätige Blogpause, Muß mich morgen einer Augenoperation unterziehen (Star) und darf dann erstmal weder Zeitung lesen (kann man verschmerzen) noch bloggen, Wenn wer an mich denkt, fänd ich das lieb.

Und ich schließe heute in mein Gebet eine liebe Freundin ein, die in den nächsten Tagen ihr Kind erwartet.

Dienstag, 7. Dezember 2010

Ambrosius, Luther, Bach, 7. Türchen



Ambrosius wird heute mit einem großen G geehrt, einem gebotenen Gedenktag. Ist ja auch das mindeste für den Urvater des ambrosianischen Gesanges. Und da bietet es sich doch an, als 7. Türchen Luthers Übersetzung des ambrosianischen Veni redemptor gentium und eine von Bachs zahlreichen Vertonungen - alle höchst bekannt - einzustellen. Wie "brav" Luther bei seinen Übersetzungen so im Großen und Ganzen dann doch war, läßt sich hier nachlesen.

Montag, 6. Dezember 2010

6. Türchen: Congaudentes Exsultemus


Schon komisch, dieser römische Generalkalender. Am 4. Dez. keine Heilige Barbara und am 6. Dezember "bloß" ein nicht gebotener Gedenktag. Bis zur Kalenderreform war der 6. Dezember immerhin noch ein Fest 3. Klasse, also ein gebotener Gedenktag. Aber St. Nikolaus hatte ja schon anläßlich der tridentinischen Reform Federn lassen müssen, so wurde in der Liturgie des 6. Dezembers die Sequenz gestrichen, die das Fest als besonders bedeutend kennzeichnete. Text und Melodie sind hier zu finden.

Bild: das ganz besonders wunderschöne Ciborium der Kathedrale St. Nikolaus in Bari.

Stecken und Stab


Ich weiß nicht, wann ich den Knecht Ruprecht aus den Augen verloren habe. Jedenfalls war er, als ich selbst noch ein kleines Kind war, noch da. Der Typ war echt zum Fürchten. Und ich bin mir ziemlich sicher, daß ich mich ein bißchen gefürchtet habe. Auch wenn ein Indianer ja eigentlich völlig furchtlos ist. 

Ganz supergruslig fand ich damals jedenfalls, daß er damit drohte, die bösen Kinder - und das waren fast immer die Jungs - in den Sack zu stecken. Dann hat er doch am Schluß kein Kind in den Sack gesteckt, es gab nur ein Standpauke, und am Schluß hat uns Nikolaus, der seinen Knecht ja immer im Griff hatte, doch was geschenkt. Ich lebte damals im Rheinland, in einer eigentlich mehrheitlich protestantischen Stadt mit katholischen Sitten, wie es im Rheinland halt so ist.

Es stellt sich nun die Frage, ob man ihm - dem Schwarzen, der im Alpenraum auch noch mit zwei Bockshörnern rumläuft - wirklich nachtrauern muß. Als papsttreuer Kirchenbürger neige ich mittlerweile  zur Ansicht, daß er uns wirklich fehlt. 

Benedikt XVI hat in jüngerer Vergangenheit immer wieder auf die fatalen Folgen einer alles verstehenden, alles verzeihenden "Liebeskirche" hingewiesen.
... seit der Mitte der 60er Jahre wurde (das kirchliche Strafrecht) einfach nicht mehr angewandt. Es herrscht das Bewußtsein die Kirche dürfe nicht Rechtskirche, sonder müsse Liebeskirche sein; sie dürfe nicht strafen. So war das Bewußtsein dafür, daß Strafe ein Akte der Liebe sein kann, erloschen. Damals kam es auch bei ganz guten Leuten zu einer merkwürdigen Verdunkelung des Denkens.
Heute müssen wir wieder neu erlernen, daß die Liebe zu dem Sünder und die Liebe zu dem Geschädigten dadurch im rechten Ausgleich stehen, daß ich den Sünder in der Form bestrafe, die möglich und die angemessene ist. Insofern gab es in der Vergangenheit eine Bewußtseinsveränderungh, durch die eine Verdunkelung des Rechts und der Notwendigkeit von Strafe eingetreten ist - letztendlich auch eine Verengung des Begriffs von Liebe, die eben nicht nur Nettigkeit und Artigkeit ist, sondern die in der Wahrheit ist. Und zur Wahrheit gehört auch, daß ich denjenigen strafen muß, der gegen die wirkliche Liebe gesündigt hat.(Licht der Welt,  42, f.)
Mitte der 60iger Jahre verschwand auch Ruprecht. Ausgemerzt durch die antiautoritäre Welle, die zuallererst die Kindergärten erfaßte. An die Stelle des teils belohnenden, teils strafenden Paaares trat dieser dickbäuchige, rotnasige Suffkopf, dessen ikonographische Gestalt letztlich von einer Firma gestaltet wurde, die koffeinhaltige Zuckerplörre verkauft.

Mittlerweile hat die Welle offenbar auch die katholische Welt erfasst. Nett, artig, lieb, politisch korrekt, selbstverständlich inclusivelanguageschraubsprechend, multikultimäßig und radikal durchgegendert, so scheint sich die katholisch sich nennende Jungschar den zeitgeistgemäßen krampusfreien Nikolausauftritt vorzustellen.

Da wächst in mir das echte Bedürfnis nach einem krachledernen Auftritt eines grimmigen, bocksgehörnten  Ruprecht (im gesamten deutschsprachigen Raum), Ascheklas, Bullerklas, Klas Bur (Westfalen, Norddeutschland), Zwarter Piet, Pietermann, Swarte Piet (Niederlande), Pulterklas (Diethmarschen) Ruklas, Rupsack (Mecklenburg) Hans Muff (= der muffige Hans), Heiliger Mann, Düvel, Zink Muff, Zink Knatsch (Niederrhein), Belzebub, Pelzebock (Eifel und Mosel), Pelzebub (Baden), Pelznickel (Pfalz und Saar), Butz (Schwaben), Rumpelklas (Allgäu), Schmutzli, Düsseli (Schweiz), Semper, Klaubauf (Bayern), Krampus (Österreich), Schiachtperchten (Salzburger Land), Partl, Bartl (Kärnten, Steiermark), Leutfresser (Ostalpen), Père Fouttard (Frankreich), Hans Trapp (Pfalz), Biggesel, Böser Klaus, Einspeiber, Gangerln, Kläuse, Klosen, Busebrecht, Buzebercht, Kehraus, Klausmänneken, Klausenpicker, Klombsack, Spitzbartl, schwarz Käsperchen, Rollebuwe, Battenmänner, Bullkater, Dollochs, Erbsbär, Spitzbartel, Buttmandeln, Treichler  Geißelchlöpfer usw. (Professor Dr. Manfred Becker-Hubertis Aufzählung ist wie meist nahezu vollständig)

Das Bild stammt von einem Blog über das Village Life in Kreis Saarburg Germany.

Sonntag, 5. Dezember 2010

Volk Zions, es kommt der Herr, der Erretter der Völker


Advent - 2nd Sunday: Introit from Corpus Christi Watershed on Vimeo.

Zum fünften Türchen gehört unbedingt der Introitus des Tages.

Maria und der Dornwald


Made in Germany ist nicht nur ein Synonym für gute Autos, sondern auch für gute Musik. So singen auch Chöre in Übersee - wie hier die amerikanischen Christopher Wren Singers - in diesem Fall ziemlich akzentfrei ein deutsches Adventslied.

Angeblich läßt sich die Tradition des Liedes bis auf das 16. Jahrhundert zurückführen. Es existieren dafür allerdings keine Belege und so geht man davon aus, daß das Lied wohl erst einige Zeit vor dem Jahr 1850 entstanden ist, als Wallfahrtslied. Es gilt als Weihnachtslied, ist aber wegen seiner Thematik wohl eher ein marianisches Adventslied.

Populär wurde es insbesondere durch den Abdruck in der Liedersammlung des Wandervogel-Bewegung, dem Zupfgeigenhansel. Die erste Auflage erschien in einem - bißchen Lokalpatriotismus muß sein - Darmstädter Verlag.

5. Türchen

Samstag, 4. Dezember 2010

Nun komm ...



Nur ein ganz kleines Stück. Und wieder "Nun komm der Heiden Heiland"

Das 4. Türchen

Freitag, 3. Dezember 2010

Nummer Eins



Zwei Bücher habe ich durch all die Jahre mit mir herumgeschleppt. Sie haben das Chaos meines Jugendzimmers überlebt, das Chaos meiner Pubertät, wie auch das Chaos meines Pubertärmarxismus, selbst die reichistische Phase. Eine Hausbesetzung, eine Häuserräumung, eine Straßenschlacht, ein Dutzend Umzüge, Katzen, Hunde und Kinder. Sie sehen etwas mitgenommen aus, die Bibel, meine Konfirmandenbibel, selbstverständlich eine luthersche, ist ein fragiler Haufen alten Papiers, den man ganz vorsichtig in die Hand nehmen sollte. Bei meinem Evangelischen Kirchengesangbuch anno 1959 ist der Einband etwas kaputt, aber das solide Bibeldruckpapier, auf dem es gedruckt ist, wird wohl noch ein Jahrhundert halten. Auch sonst ist es solid, steigt der Christus da doch nicht hinab "in das Reich der Toten" sondern "fährt nieder zur Hölle", und stehen da auch nicht die Toten auf, vielmehr erfolgt hier noch römisch-katholisch korrekt die "Auferstehung des Fleisches".

Die Nummer eins in diesem Gesangbuch ist Luthers Übersetzung des ambrosianischen Veni Redemptor gentium. Nun komm der Heiden Heiland. Auch dieses Lied hatte ein wenig gelitten. Es fehlten die marianischen Verse 2 und 3. Und heute ist das Lied im neuen EG nur noch die Nummer vier. Stattdessen beginnt es nun mit "Macht hoch die Tür". Auch ein schönes Lied, hörte man es nicht in jedem Supermarkt als "vorweihnachtliche" Hintergrundmusik zur Verkaufsförderung für billige Weihnachtsplätzchen und Coca-Cola-Weihnachtsmänner. Und daß Müntzers Übersetzung des Conditor Alme Siderum auf Platz Drei vorgerückt ist, hätt´ den Luther sicher tierisch geärgert. Mich ärgerts auch, kann ich diesen DDR-Heiligen Müntzer doch mittlerweile überhaupt nicht mehr leiden.

Tonal versus modal, Kirchenton gegen Kaufrauschmusik, das konnte auch musikalisch nur für den Sound des 18. statt des 16. Jahrhunderts ausgehen. Bei mir ist er (der Hymnus) immer noch die Nummer eins. Hatte da einen kleinen Disput mit unserem Scholaleiter, der die katholische Variante des "Veni" im Gotteslob besser findet als Luthers unvergleichliche Kontrafaktur. Ich find sie blöd (die neukatholische Version), vor allem wegen ihrer sprachlichen Archaismen, "Darob" klingt im 20. Jahrhundert eben einfach nur albern. Und sich mit dem begnadedsten Wortmetz der Renaissance zu messen, sollte man besser erst gar nicht versuchen.

Adventskalenderfenster Nr. 3. Sopransaxophon mit Gregorianik zu mischen ist ein ziemliches mutiges Experiment. Klingt aber nicht schlecht. ("nicht schlecht" ist der norddeutsche Superlativ, und bedeutet ins Landrattische übersetzt soviel wie "himmlisch", "wundervoll", "einzigartig" und was dergleichen südeuropäische UnterdemWeißwurstäquatortypische Exaltiertheiten noch mehr sind)

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Häßlich, schmucklos, formlos




Folgende Aussage in dem unbedingt lesenswerten Interview mit Guido Pozzi, dem Sekretär der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei, hat mich doch, sozusagen, irritiert:
Es gibt Bischöfe und Priester, die in der Nachfrage nach dem alten Ritus vor allem das Risiko einer Sehnsucht nach dem Ästhetischen, rein Ornamentalen, Formalistischen sehen.
Bei Anwendung der Methode des argumentum e contrario, die jeder Jurist ja im Schlafe beherrscht, folgt daraus, daß man in der Nachfrage nach dem neuen Ritus vor allem das Risiko einer Sehnsucht nach dem Häßlichen, Schmucklosen, Formlosen sehen muß.

Manche Argumente in dieser endlosen Debatte sind doch so dämlich, daß man sich wundern muß, daß sie wirklich von Menschen, von denen man doch erwarten kann, daß sie zumindest derzeit noch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind, vorgebracht werden. (Juristen lieben Schachtelsätze!)

Ich versuche mich an einem musikalischen Adventskalender. Gregorianik paßt im übrigen zu beiden Meßformen. Oder sie sollte zumindest dazu passen, wenn man sie nicht mit Sakropop kombiniert.  Bei obigem (Juristen lieben Schraubsprech!) Musikstück handelt es sich um das Halleluja des Ersten Advent.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Ne irascaris - Vertreibung aus dem Jammertal



Das Rorate coeli (Hymnus) in einer Fassung der Blackfriars von Oxford.

Es dauert schon ziemlich lange, bis man die goldenen Schätze der katholischen Liturgie und Musik entdeckt. Sie werden nicht gerade auf dem Präsentierteller dargeboten. Dieser Wechselgesang findet sich weder in Gotteslob noch im GT noch in irgendeinem offiziellen liturgischen Buch. Die Textfassung und Melodiefassung fand sich zuletzt im liber usualis von 1964. Daß dieses Lied, das von Sünde und Schuld, Elend und Verzweiflung - und Erlösung -  handelt, so versteckt wird, hat, vermute ich,  diesselben Gründe und Motive, die dazu führten, daß in unserem Gotteslob - das ich für das schlechteste Gesangbuch der Welt halte - das Wort "Jammertal" gegen die authentische Textgestalt entsprechender Hymnen ausgemerzt und durch "Erdental" ersetzt wurde.

(Weiß eigentlich jemand, wer dafür verantwortlich ist und seit wann die Erdentalisierung stattfand?)

Was die Gründe für die Tilgung des Wortes "Jammertal" angeht, habe ich vor kurzem eine frappierend schlüssige Erklärung in einem nunmehr mehr als 150 Jahre alten Text gefunden:
Der modernen Irrtümer sind unzählige; doch sie alle, schaut man genauer hin, haben ihren Ursprung und finden ihren Tod in zwei obersten Negationen; eine von ihnen bezieht sich auf Gott, die andere bezieht sich auf den Menschen. Die Gesellschaft leugnet von Gott, daß Er sich um seine Geschöpfe kümmert, und vom Menschen, daß er empfangen wurde in Sünde. Sein Stolz flüsterte dem Menschen unserer Tage zwei Dinge ein, die er beide geglaubt hat: daß er ohne Makel und Flecken sei und daß er Gott nicht nötig habe; daß er stark sei und daß er schön sei. deshalb sehen wir ihn dünkelhaft aufgeblasen ob seiner Stärke und Macht und verliebt in seine Schönheit.
Leugnet man die Sünde, so leugnet man, neben vielem anderen, die folgenden Dinge: daß das irdische Leben ein Leben der Buße ist und daß die Welt, in der sich dieses Leben abspielt, ein Tal der Tränen sein muß; daß das Licht der Vernunft matt ist und unsicher flackert; daß der Wille des Menschen schwach und versehrt ist; daß die Lust uns gegeben ward als Versuchung, damit wir uns befreien von ihrer Anziehungskraft; daß der Schmerz etwas Gutes ist, und wenn er aus einem übernatürlichen Beweggrund in freiwilliger Hinnahme angenommen wird; daß die Zeit uns gegeben ward zu unserer Heiligung; daß der Mensch der Heiligung bedarf." (Juan Donoso Cortés, Marquis von Valegamas, Brief an Kardinal Fornari vom 19. Juni 1852)
Dank Wikipedia findet sich der Text des Hymnus vollständig im internet mit Übersetzung.


KV: Tauet Himmel, von oben,
ihr Wolken, regnet den Gerechten.

Zürne nicht länger, Herr,
nicht länger gedenke unserer Missetaten.
Siehe, die Heilige Stadt ist zur Wüste geworden,
Sion ist zur Wüste geworden.
Jerusalem ist verödet,
das Haus Deiner Heiligung und Deiner Herrlichkeit,
wo Dich gepriesen haben unsere Väter. Kv.

Wir haben gesündigt und sind unrein geworden
und sind gefallen wie ein Blatt,
und unsere Missetaten haben uns wie der Wind fortgetragen.
Du hast Dein Antlitz verborgen vor uns
und uns zerschmettert durch die Wucht unserer Schuld. Kv.

Sieh an, Herr, die Betrübnis Deines Volkes,
und sende, den Du senden willst.
Sende aus das Lamm, den Beherrscher der Erde,
vom Felsen der Wüste zum Berg der Tochter Zion,
dass es hinwegnehme das Joch unserer Knechtschaft. Kv.

Ihr werdet getröstet, ihr werdet getröstet, mein Volk!
Bald wird kommen Dein Heil.
Warum verzehrst Du Dich in Trauer,
weil sich erneuert hat dein Schmerz?
Ich werde Dich retten, fürchte Dich nicht.
Denn ich bin der Herr, Dein Gott,
der Heilige Israels, Dein Erlöser. Kv.

Die Übersetzung zeigt es: eindeutig zuviel "lacrimarum vallae".

Es wird wohl noch einen anderen Grund haben, warum seit dem Liber Usualis, das zuletzt 1964 herauskam, dieses Lied, wie andere, nicht mehr in Liederbüchern auftaucht. Die Identifikation der Kirche mit dem Volk Israel ist unsagbar und unsingbar geworden, seit man den "eigenen Heilsweg" des Volkes Israel entdeckt haben will. Wir sind also schon lange keine "spirituellen Semiten" (Pius XI) mehr.

Das liber usualis ist hier herunterzuladen (Vorsicht 115 MB!)

Dienstag, 30. November 2010

Christian Flash Mob



Noch ein christlicher Gesangs-Flash-mob.

Sonntag, 28. November 2010

(Juchten-)Käfer statt Kinder



Und während die Weltkirche in Gemeinschaft mit dem Papst für das Leben, insbesondere das der ungeborenen Kinder betet, haben die deutschen Parteien, vor allem meine Lieblingspartei, die Grünen, ganz andere Probleme. Könnte man sich statt der liebevoll ausgestalteten Kleinen Anfrage der Grünen, die um den Juchtenkäfer barmen, sich vielleicht eine Kleine Anfrage zur aussterbenden Spezies des Deutschländers vorstellen ?:

Die Anfrage wurde präzise zu Beginn der Fastenzeit (alter liturgischer Zeitrechnung) am 11. Nov. 2010 eingereicht. Leider kein Witz.

Kindervesper




Eigentlich hab ich immer gedacht, daß es im Petersdom ganz anders zugehen muß, als in unserem Kirchenhüttchen. Viel gesitteter, keine quengelnden Kinder, keine Doppsche, die überal rumrennen, keine Gläubigen in casual wear. Irgendwie beruhigend zu sehen, daß es selbst bei einer vom Papst geleiteten Vesper nicht anders zugeht, als bei uns zuhause (siehe insbesondere die 65. Minute). Wer noch den Text der Vesper sucht, hier ist er. Eigenartigerweise gab es den auf der deutschen Seite von vatican.va nicht. Was soll das wohl bedeuten? Wo wir doch einen deutschen Papst haben?

Die Vesper endete mit einem Gebet für das Leben (Vielleicht übersetzt das mal wer? Bitte!):

PREGHIERA PER LA VITA
Il Santo Padre:
Signore Gesù,
che fedelmente visiti e colmi con la tua Presenza
la Chiesa e la storia degli uomini;
che nel mirabile Sacramento del tuo Corpo e del tuo Sangue
ci rendi partecipi della Vita divina
e ci fai pregustare la gioia della Vita eterna;
noi ti adoriamo e ti benediciamo.
Prostráti dinanzi a Te, sorgente e amante della vita
realmente presente e vivo in mezzo a noi, ti supplichiamo.
Ridesta in noi il rispetto per ogni vita umana nascente,
rendici capaci di scorgere nel frutto del grembo materno
la mirabile opera del Creatore,
disponi i nostri cuori alla generosa accoglienza di ogni bambino
che si affaccia alla vita.
Benedici le famiglie,
santifica l'unione degli sposi,
rendi fecondo il loro amore.
Accompagna con la luce del tuo Spirito
le scelte delle assemblee legislative,
perché i popoli e le nazioni riconoscano e rispettino
la sacralità della vita, di ogni vita umana.
Guida l'opera degli scienziati e dei medici,
perché il progresso contribuisca al bene integrale della persona
e nessuno patisca soppressione e ingiustizia.
Dona carità creativa agli amministratori e agli economisti,
perché sappiano intuire e promuovere condizioni sufficienti
affinché le giovani famiglie possano serenamente aprirsi
alla nascita di nuovi figli.
Consola le coppie di sposi che soffrono
a causa dell'impossibilità ad avere figli,
e nella tua bontà provvedi.
Educa tutti a prendersi cura dei bambini orfani o abbandonati,
perché possano sperimentare il calore della tua Carità,
la consolazione del tuo Cuore divino.
Con Maria tua Madre, la grande credente,
nel cui grembo hai assunto la nostra natura umana,
attendiamo da Te, unico nostro vero Bene e Salvatore,
la forza di amare e servire la vita,
in attesa di vivere sempre in Te,
nella Comunione della Trinità Beata.
C. Amen.

Leider  fiel für mich die Messe heute aus, Grippe. Also kein Introitus heute, deshalb heute im internet. Zum Mitsingen (oder auch nicht)

Freitag, 26. November 2010

Die stets das Böse will ...


Einfach DIE Gelegenheit mal wieder eines von Alipius-Super-Plakaten zu posten. Nur frag ich mich, warum dieses das mit Abstand am witzigsten und liebevollste gestaltete Plakat ist. Hat es vielleicht damit eine Bewandtnis? Weil uns Uta, diese immer mit mindestens 130 dbA kreischende Nervensäge den maximalen Adrenalinstoß versetzt? Weil man bei ihr eine Menge lernen kann, allerdings ex negativo.

Jedenfalls weiß ich nach diesem Artikel, warum ich in meinem Bücherschrank ein ganzes Arsenal schwerer Theo-Waffen stehen habe. Darunter die 27. Auflage des griechischen Neuen Testaments von Nestle-Aland. Insbesondere der Umgang protestantischer Bibelexegeten mit den Urtexten haben mich gelehrt, daß man sich besser gleich mit dem Urtext beschäftigt, als mit dem, was Übersetzer daraus machen. Traduttore - Traditore. Der Übersetzer ist der Betrüger.

Schließlich bin ich auf Utas Lügenmärchen, die aus ihr nur so heraussprudeln, früher häufig genug reingefallen, hab ihre Machwerke gläubig konsumiert. Bis mir auffiel, daß die verrückte Alte es mit der theologischen Wahrheit überhaupt nicht genau nimmt. Sondern daß sie einem gläubigen, meist uninformierten Publikum faustdicke Lügen auftischt. In diesem unsäglichen Artikel - die Kommentare sind übrigens unbedingt lesenswert - geht das zum Beispiel so:
Nach der Hochzeit des Mönches Martin Luther mit der Nonne Katharina von Bora wurde 1592 von Ihrem Vorgänger, Papst Clemens VIII., der griechische Urtext des Apostels Paulus in der lateinischen Ausgabe verfälscht. Paulus sagte im 1. Korintherbrief 9, 5: "Habe ich nicht das Recht, eine Ehefrau auf den Reisen mitzunehmen wie die übrigen Apostel und Petrus". Aus den Ehefrauen der Apostel werden dienende Schwestern, also Haushälterinnen. Und Ihr Vorgänger, Papst Johannes Paul II., erhob die Apostel sogar zu "Predigern und Lehrern des Zölibats". Da die meisten katholischen Priester zu wenig Griechisch verstehen, stoßen sie nie auf ihr vom Apostel Paulus verbrieftes Recht zu heiraten.
Nun, da wir alle ja perfekt im Altgriechischen sind, können wir uns den Text ja mal ansehen:

μὴ οὐκ ἔχομεν ἐξουσίαν ἀδελφὴν γυναῖκα περιάγειν ὡς καὶ οἱ λοιποὶ ἀπόστολοι καὶ οἱ ἀδελφοὶ τοῦ κυρίου καὶ Κηφᾶς

Ist doch völlig klar, das NT spricht hier von einer "adelphen gynaika" wörtlich also "einer Schwester, einer Frau", was die von Uta beschimpfte Clementina mit "sororem mulierem" wortwörtlich übersetzt. Die meisten seriösen Bibelübersetzungen, z.B. die im englischen Sprachraum sehr geschätzte (protestantische)  New Revised Standard Version, übersetzen sinngemäß mit "believing wife", einer "gläubigen Frau" also und nicht mit Ehefrau. Daß der von Uta bejubelte Luther die selbe Stelle mit "eine Frau zum Weibe" übersetzt, ja übersetzen muß, liegt auf der allerflachsten Hand. 

Das Sein bestimmt eben das Bewußtsein. Hab ich von Karl Marx gelernt. Ist ja nicht so, daß wir 68er unsere Zeit völlig verschwendet haben.

Daß dieser wirklich völlig hirnrissige Artikel ausgerechnet auf der offiziösen Seite evangelisch.de erscheint, läßt tief blicken. Offenkundig denken die Evangolen seit Luther selig immer nur an das Eine. Auf 255 Seiten Papst-Buch fällt den lieben Mitschwessern und MitbrüderInnen doch echt nur ein einziges Wort auf: Kondom. 

In meiner Sammlung lustiger Bibelübersetzungen ist die "Bibel in gerechter Sprache" auch in diesem Fall wieder einsame Spitze:"Haben wir nicht das Recht mit einer Schwester verheiratet unterwegs zu sein,  wie manche der übrigen Apostel ..." Der Brüller. 

Mittwoch, 24. November 2010

Der Papst als Centerfold


Wieder eine lange, lange Bahnfahrt. Gelegenheit, Akten zu studieren und die nahezu komplette deutsche Presse. Heute erscheint doch DAS BUCH, leider gibt es noch nichts an den Bahnhofsbuchhandlungen. Dafür jede Menge Vorabdrucke. Worte, die man in Marmor meißeln könnte. Z.B. über die Revolutionen unserer Tage:
... der Mensch erstrebt eine unendliche Freude, er möchte Lust bis zum Äußersten, möchte das Unendliche. Aber wo es Gott nicht gibt , wird es ihm nicht gewährt, kann es nicht sein. Da muss er nun selber das Unwahre, die unwahre Unendlichkeit schaffen. Dies ist eine Zeichen der Zeit, das uns gerade als Christen dringend herausfordern muß.
Über Drogen:
Ganz viele Bischöfe, vor allem Dingen aus Lateinamerika, sagen mir, daß da, wo die Straße des Drogenanbaus und Drogenhandels verläuft ... es so ist wie wenn ein böses Untier seine Hand auf das Land gelegt hätte und die Menschen verdirbt. ... Da ist eine Gier nach Glück entstanden, die sich mit dem Bestehenden nicht begnügen kann. Und die dann in das Paradies des Teufels ... flüchtet und Menschen rundum zerstört.
Über negative Toleranz:
Es breitet sich eine neue Intoleranz aus, das ist ganz offenkundig. Es gibt eingespielte Maßstäbe des Denkens, die allen auferlegt werden sollen. Diese werden dann in der sogenannten negativen Toleranz verkündet. Als etwa wenn man sagt, der negativen Toleranz wegen darf es kein Kreuz in öffentlichen Gebäuden geben. Im Grund erleben wir damit die Aufhebung der Toleranz, denn das heißt ja, daß die Religion, daß der christliche Glaube sich nicht mehr sichtbar ausdrücken darf.
Ziemlich düster, aber andere Zitate waren derzeit nicht zur Hand und ein bißchen entsprechen sie auch nach mehrstündigen ergebnislosen Verhandlungen vor einem unwilligen Gericht gegen eine gnadenlose Behörde meiner Stimmung. Und Drogen, Unglück, Intoleranz, Gewalt, zerstörte Beziehungen gehören leider zu meinem Metier.

Aber doch freut es mich, daß sich Presseorgane um den Papst bemühen, von denen man es nicht erwartet hätte. Ausgerechnet die Frankfurter Rundschau präsentiert den Papst als Centerfold garniert mit vier Seiten exklusiver Auszüge aus dem neuesten Interviewband mit Peter Seewald. Der Focus bringt Benedikt auf dem Titelblatt.

Der Tagespiegel konzentriert sich auf das K-Thema, die Welt hats irgendwie verpennt. Und die FAZ. bringt Christian Geyer, der sich - potztausend - der K-Frage widmet und mit der Empfehlung schließt, die Kirche solle doch endlich aufhören, "in die Sexualität reinzureden". Noch 37 Tage, bis mein FAZ-Abo endlich, endlich ausläuft. Dann aber:

BAHNERS, DECKERS, GEYER!

ACH KÜSST MIR DOCH DIE NASE!

Wer es nicht weiß: ein Centerfold ist ein Plakat, das in der Mitte einer Zeitschrift eingeheftet wird, und herausgetrennt und entfaltet werden kann. Gabs bei der BRAVO als Starschnitt und beim Playboy - nein  den hab ich NIEMALS gelesen, nur davon gehört.

Montag, 22. November 2010

Dem Schwulen ist alles schwul


Kaum hat der Papst das Wort "Kondom" in den Munde genommen, schon raschelts im deutschen Blätterwald, daß es nur so eine Art hat. Aber während sich die in "meinen" 68er-Kreisen als rechtsextremistisch-konservativ verschrieene "Welt" und die noch viel schlimmere "Bild" in vornehmer Zurückhaltung übt, das neue Papst-Buch dort geradezu euphorisch herbeigeschrieben wird und man sich äußerst differenziert äußert, findet sich in der heutigen FAZ (ach ja, hab sie gekündigt hat aber noch lange, lange Kündigungsfristen) ein echter Hammerartikel.

Schon die Art, wie da ein kurzes Papstzitat zum unsäglichen Kondomthema mit dem Thema tridentinische Messe sowie einer Eloge des geschassten schwulen Theologen David Berger zusammengerührt und in einem von bizarren Thesen nur so strotzenden Artikel verarbeitet wird, könnte man ingeniös nennen. Oder bescheuert. Oder paranoid. Oder monoman. Kernsatz:
Berger nennt es paradox, dass die krasseste Homophobie bei Verfechtern der tridentinischen Liturgie zu finden sei, während die Ästhetik gerade dieses altehrwürdigen Kults eine besondere Anziehung auf Schwule ausübe. „Es ist eine Ästhetik, die wie keine andere im Bereich der Religion homosexuell veranlagte Männer magisch anzieht. Eine Ästhetik, die aber zugleich von einer Gruppe vertreten wird, die wie keine andere im Katholizismus Homosexualität verurteilt, ähnlich den fundamentalistischen protestantischen Sekten in den USA.“ Was „traditionalistisches Liturgie- und schwules Selbstverständnis miteinander verbindet“, sei ihm durch Martin Mosebachs Schrift „Häresie der Formlosigkeit“ begreiflich geworden, das Buch eines Vordenkers traditionalistischer Kirchlichkeit, auf den Berger nicht gut zu sprechen ist: „Ein durch Ästheten wie Martin Mosebach vornehm parfümierter Traditionalismus ist inzwischen wieder salonfähig.“
Also noch mal ganz langsam zum Mitschreiben: die von ausgewiesenen Homophoben bevorzugte überlieferte Liturgie ist selbst homophil, weil sie die zum Kitsch und Schwulst neigenden Tucken anzieht wie die Motten das Licht, was den Schluß erlaubt, daß das ganze - die vorkonziliare Szene also - nichts weiter sei als das Produkt der Sublimierung homosexueller Neigungen.
Homosexuelle Sublimierung erscheint nicht nur als Wurzel und dauerhafte Nahrung des traditionellen katholischen Kultes, sondern auch als Abwehrmechanismus, der die unter den Freunden des klassischen Ritus und Gegnern der Liturgiereform verbreitete Homophobie gut erklären würde.
Durch Zufall - hab meinen Papiergruschel aufgeräumt -  liegt vor mir eine Spielkarte mit einer Karikatur von Hans-Jürgen Krahl, weiland stockschwuler Chefideologe des Frankfurter SDS, Musterschüler von Theodor Wiesengrund Adorno, Hauptmacher der revolutionär-antiautoritären Frankfurter Szene, Chefagitator neben dem ebenso stockschwulen Günther Amendt (übrigens Zwillingsbruder des Lieblingsfeindes der Feministen und LGBT-Szene Gerhard Amendt). Von den beiden, denen ich um 1970 ständig über den Weg lief hab ich jedenfalls eines gelernt, daß einem sexuell devianten Menschen kaum noch etwas mehr bedeutet, als die eigene, verbogene Sexualität. Daß sie alles nur aus schwuler Sicht, mit schwuler Brille sehen können, alles nur noch in der Sprache einer überbetont sexualisierenden Psychologie ausdrücken können. Und bei den Alt-68er findet sich auch die Ur-Thesis der Berger/Geyer-Theorie.

Einer von Hans Jürgen Krahls schrillsten Aufsätzen hat es sogar in die bibliotheca augustana geschafft. Und da lernen wir nun, daß nicht nur Jesus homosexuell war, sondern daß das ganze postpaulinische Christentum seine Existenz der verklemmten Homosexualität seiner "Religionsgründer" verdankt:
Die entscheidende Rezeption des platonischen CHORISMOS erfolgt durch die paulinische Uminterpretation des Homosexuellen Jesus. Das Fleisch ist die sündige, von Gott, der reinen Identität in ihrer Trinität, abgefallene Materie. Der Zeugungsakt ist strenge Pflicht. Alle Lust ist sündig. Verlagerte Platon das Lustprinzip in die Sphäre der Identität, der gleichgeschlechtlichen Liebe, so wird diese von Paulus verbannt. Homosexualität ist Liebe zu Gott, zu Jesus - dem fleischgewordenen Logos -, das heisst mönchisches Leben; reine Lust ist Askese. Durch diese aufs abstrakte Jenseits gerichtete und umfunktionierte Sexualität schlägt in Europa alles Erotische ins Neurotische um (verklemmte Homosexualität).
Alles schon mal dagewesen. Einfach unausrottbar.

Samstag, 20. November 2010

Sozi und Reli


Der Soz im Allgemeinen und die Religion finden so einfach nicht zusammen. Und wer da meint, die SPD sei doch seit sehr langer Zeit eine zumindest weltanschaulich neutrale Partei. sollte sich vergegenwärtigen, daß das im Kern marxistische Heidelberger Programm noch bis 1959 in Kraft blieb. Es hat - etwa im Bildungsbereich - eine stramm antireligiöse Ausrichtung.

Den Kern des organisierten deutschen Atheismus bildeten Sozialdemokraten. Der "Verein für Feuerbestattung", neben dem "Freidenkerbund" sozusagen die Keimzelle des organisierten deutschen Atheismus wurde 1905 von 12 deutschen Sozialdemokraten gegründet. Was vielleicht erklärt, warum sich der Soz mit der Religion heute noch immer ein bißchen schwer tut.

Als sich die SPD in ihrem Godesberger Programm zur "Zusammenarbeit mit dem Kirchen" im Sinne einer "freien Partnerschaft" bekennen wollte, entging der Parteivorstand nur knapp einer Abstimmungsniederlage. Der Einfluß der "Freidenker" war immer noch stark. Daß viele der die Partei prägenden Personen zumindest aus traditionell atheistischen Familien stammten, ist bekannt. Nach II. Weltkrieg und Drittem Reich änderte sich das, und Grund dafür ist nicht etwa nur der in Godesberg in Satzungsform gegossene strukturelle Opportunismus einer Volkspartei.
Nein, bei mir sind Bindungen an Gott nie gewesen. Ich bin ja als "Heide" aufgewachsen und habe mich erst taufen lassen, als wir kirchlich heiraten wollten. Aus zwei Gründen übrigens: Mein Mann und ich waren uns einig darüber, daß man den Kirchen, wenn der Krieg zu Ende wäre, den Rücken stärken sollte. Wir hielten die Priester und Pastoren für die Einzigen, die nach dem - auch geistigen - Ruin möglicherweise die Menschen ein bißchen an die Hand nehmen könnten. Der zweite Grund: Die Nazis fingen 1941/42 an, alles, was überhaupt nur nach Kirche roch, schlechtzumachen. Da hat sich bei mir der Widerspruchsgeist geregt, auch wenn ich selbst ganz unchristlich erzogen worden bin. Ein Mensch, der einen Kopf hat, mit dem er sich manchmal die Welt betrachte, muß ja auf die Idee kommen, daß es oberhalb von uns kleinen Menschen und unserer kleinen Erde Gesetze gibt, Ordnungsgesetze, die das ganze Weltall zusammenhalten.
Das sind sicher keine Sätze, die vor der christlichen Orthodoxie bestehen können. Aber es ist das Zeugnis eines Menschen, der, wo ihm der Glaube doch nicht geschenkt wurde, sich doch zumindest als Christ zu leben bemüht.

Loki Schmidt hat das geschrieben, die grande dame der deutschen Sozialdemokratie. Und umso zwergenhafter erscheinen die neuen Kulturkämpfer, die sich in der neuen deutschen Sozialdemokratie breit machen.

Bild: Die Traditionsfahne der SPD offenbart ihre Einbindung in die revolutionäre Tradition

Freitag, 19. November 2010

Mulmige Gefühle


Vor wenigen Wochen fiel mir ein Artikel des Generalsekretärs der FDP, Lindner in die Finger, in der der eine republikanische Offensive forderte, und sich Europa ohne seine christliche Mitte, und ohne sein christliches "Mittel"alter , als vermittelndes zwischen Antike und Neuzeit nämlich, vorstellte. Europa ohne Mitteldrümmel, nur Kopf und Schwanz, wie eben so ein liberales Armeleuteessen für die geistlos Armen aussieht.

Irgendwie putzig. Weniger putzig, sondern tendentiell bedrohlich, daß die Front der NeoJakobiner breiter wird, frecher, unverblümter. Man mag, oder der SPD-Vorstand mag, die "Laizisten in der SPD" für eher plemplem halten. Aber die Mitgründer des Vereins sind keineswegs Hinterbänkler. Ingrid Matthäus-Maier - eine ehemalige LinksLiberale - war schließlich lange Zeit die Finanzexpertin der SPD-Bundestagsfraktion und ehemals Chefin der KfW. Rolf Schwanitz gehört zur Prominentenriege der Ost-SPD und ist nicht etwa Mitglied eines spätmarxistischen Flügels des SPD, sondern des konservativen Seeheimer Kreises. Carsten Schneider, MdB durfte heute die Posittion der "Sozialen und demokratischen LaizistInnen" in der FAZ darstellen. Auch der ist keine Randfigur, sondern ebenfalls "Seeheimer" und finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Prominente Funktionsträger aus der Mitte der Partei ziehen für das zu Felde, was sie eine neue "Balance" zwischen Kirche und Staat nennen. Balance klingt immer gut, aber bei Lichte betrachtet, sieht diese "Balance" dem vorwiegend antikatholischen Vernichtungsfeldzug von Säkularisation und Kulturkampf des 19. Jahrhundert verteufelt ähnlich.

Hintersinnig ist das ganze Programm, das Schneider in einem wesentlichen - dem von der reinen Geldsumme her bedeutendsten -  Punkt so begründet:
Alle Wohlfahrtsverbände - kirchliche wie nichtkirchliche - finanzieren sich zum größten Teil über "Leistungsentgelte" sprich: über Gelder aus der Sozialhilfe sowie der Kranken- und Pflegeversicherung. Gleichzeitig nehmen die kirchlichen Organisationen für sich in Anspruch, ihre Mitarbeiter nach Religionszugehörigkeit auszuwählen - nicht nur leitende Angestellte, sondern auch Sachbearbeiter und Erzieherinnen, Caritas und Diakonie berufen sich auf das "kirchliche Selbstverwaltungsrecht" und den "Verkündungsauftrag der Kirche". So schaffen sie eine doppelte Ungerechtigkeit:  Erstens diskriminieren sie nichtchristliche Arbeitssuchende, zweitens finanzieren auch konfessionsfreie oder andersgläubige Steuer- und Beitragszahler die Verbreitung des christlichen Glaubens mit.
Gezielt wird da nicht nur auf die Aufhebung des Tendenzschutzes, der die Kirchen in der Tat aber auch zu recht privilegiert, sondern auf die Vertragsfreiheit. Kirchliche Einrichtungen sollen sich nicht mehr ihre Arbeitnehmer frei auswählen dürfen, was Caritas und Diakonie letztlich in säkulare Unternehmen verwandeln würde, denen im wahrsten Sinn des Wortes der Geist fehlt.

Man dankt für die Offenheit, mit der hier die Destruktion der organisierten Form der christlichen Caritas gefordert wird, und mit einem Argument begründet wird, dessen Widersinn eigentlich kaum zu übersehen ist. Bei den staatlichen Zuwendungen oder denen aus Versicherungen handelt es sich schließlich keineswegs um Geschenke, sondern um Entgelte für Leistungen. Und die kann der Kunde - etwa der erkrankte Mensch - schließlich dort einkaufen, wo es ihm in einem freien Staat beliebt. Wenn er sich für ein kirchliches Krankenhaus entscheidet, wird dies seinem freien Willen entsprechen. Und er wird eine Leistung in Anspruch nehmen, für die er in der Regel, sei es durch Steuern oder Versicherungsbeiträge, selbst bezahlt hat und nicht der Herr Schneider oder der als in der Regel "konfessionsfrei" gedachte "abstrakte" Bürger.

Auch mit Arbeitnehmerdiskriminierung ist hier nicht zu argumentieren. Alternativen gibt es schließlich, nur daß sie eben schlicht am Markt weniger erfolgreich waren. Wofür man nun nicht die Kirche verantwortlich machen kann, sondern die Konkurrenz. Von einem "humanistischen" oder "laizistischen" Krankenhaus hab ich bisher noch nicht gehört.

Was ja auch seine Logik hat. Denn die "LaizistInnen" wollen wohl eher - neulich mit der Zulassung der Präimplantationsdiagnostik - die Kranken bekämpfen als die Krankheiten. Auch diese Humanisten.
Viele Genossinnen und Genossen stören sich ja gerade daran, dass wir in den letzten Jahren zunehmend eine starke Verengung auf kirchennahe Positionen feststellen müssen und durch eine völlige Distanzlosigkeit und personelle Verklammerung inzwischen gar nicht mehr in der Lage sind, die Kirchen überhaupt noch zu kritisieren und in wichtigen politischen Fragen (wie z.B. auch Präimplantationsdiagnostik, Patientenverfügung und Selbstbestimmtes Sterben, Gleichberechtigung Homosexueller, etc.) Positionen zu vertreten, die denen der Kirchen widersprechen.
Woraus zu lernen ist - wie fast immer - daß LaizistInnen für PID und "Selbst"bestimmtes Sterben sind.  Damit haben wir denn die Quintessenz des Programms zusammen und wissen nun, wo es gegen die Freiheit geht - in diesem Fall um die elementarste und alltäglichste, die Kontraktionsfreiheit - geht es meist auch gegen das Leben.

Bild: Eine Szene aus dem Krieg der republikanischen Truppen gegen die katholische Vendée. Bénediction des combattants vendéens von Charles-Alexandre Coëssin de la Fosse. Trifft meine heutige Stimmung.

Sonntag, 14. November 2010

Novemberlich


Volkstrauertag ist in unserer Gemeinde ein besonderer Tag. Die Gemeinde rekrutierte sich ursprünglich in einer fast rein protestantischen Gegen vorwiegend aus (katholischen) Flüchtlingen aus dem deutschen Osten. Und so steht vor jeder der kleinen Kirchenhüttchen unserer Pfarrgruppe ein Denkmal für die Gefallen, die Vertriebenen, die auf der Flucht Umgekommenen.


Der Friedhof unseres kleinen Ortes ist noch das, was er andernorts, vor allem in den großen Städten, nicht mehr ist. Ein Kirchhof. Die katholische Sepulchralkultur, die bedeutete, daß man sich möglichst "ad sanctos" betten ließ, blieb also. Anders in der nahegelegenen Großstadt. Dort wurden, wie überall, aus "hygienischen Gründen" Zentralfriedhöfe eingerichtet, die heute nicht zuletzt Stätten eines auch im Sterben stolzen, manchmal dünkelhaften Bürgertums sind.


Voluptas. Wie man es auch immer sieht.


Die Sphinx.  Findet sich in unserem Residenzstädtchen häufiger.


Kruzifixe gibt es hier wenige. Das klassisch gebildete, mild agnostisch gestimmte Bürgertum dominiert.


Epitaph über dem Grab eines Kindes.



Der schönste Engel des ganzen Friedhofs. Mimik, Gestik, Dramatik, Aerodynamik, Faltenwurf. Einfach perfekt.



Eine Putte für Alipius.


Der Max gehörte zu Lebenszeiten eher zu den liebenswert kreativ Chaotischen. Paßt also.

Freitag, 12. November 2010

Lunatics in Freeburg


Ein besonders anschauliches Beispiel für die allerorten - nicht nur in Zollitschistan - verbreitete Alternativliturgie hat vor kurzem die BDKJ des Bistums Freiburg veröffentlicht. Ich gebe den Text, weil er Basis sein könnte für einige Wochen Katechese unter verschärften Bedingungen (ich denke da an Einzelhaft, Wasser und Brot) im Wortlaut wieder:

Glaubensbekenntnis


Das Apostolische Glaubensbekenntnis können die meisten Gottesdienstbesucher auswendig beten. An dieser Stelle kann auch ein alternatives Gebet verwendet werden:


Ich glaube, dass es jemanden auf dieser Welt gibt,
Gott, der uns geschaffen hat.
Ich glaube, dass Gott überall ist und immer unter uns.
Er ist immer für uns da, wann immer wir ihn brauchen.
Man kann mit diesem Gott reden, ihm alles anvertrauen.
Glaube ist Vertrauen auf die Liebe Gottes.


Ich glaube an mich als Geschöpf Gottes.
Ich glaube, dass, egal was ich mache, tue oder sage,
Gott immer meine Freundin sein wird.
Ich glaube, dass Gott mich begleitet bei allem,
was ich mache und denke und dass sie mich immer irgendwie
in die richtige Richtung führt.


Ich vertraue darauf, dass mich die Liebe Gottes gerade in Schwierigkeiten,
in ausweglosen Situationen begleitet, führt, mich auffängt und trägt.
Ich glaube, dass Gott mich immer wieder aufnimmt,
egal wie weit ich mich von ihm verlaufen habe.


Ich glaube, dass Gott auch Verständnis hat für meine Zweifel,
die mich immer wieder `mal quälen, meine Zweifel am Glauben und an den Menschen.
Ich glaube, dass Gottes Kraft in mir wirkt und mein Leben gut sein lässt.
Ich glaube an die Menschen, ich glaube, Gott mag sie.


Ich glaube an die Kraft der Liebe und das Gute im Menschen, die Kraft,
die von einem Lächeln ausgeht oder von der Musik.
Ich glaube an die Leidenschaft, an das Feuer in mir, und dass Gott mich mit aller Schwere und Verrücktheit umfasst und durchfließt.


Ich glaube, dass ich ein klein wenig bewirken kann in der Gesellschaft,
indem ich Profil zeige.
Ich glaube an die Hoffnung, die mich jeden neuen Tag als ein
Geschenk Gottes erwarten lässt, als eine Chance,
Freundschaften zu schließen, Menschen zu helfen, glücklich zu leben.


Ich glaube an das Leben in Fülle, das du uns versprochen hast,
mit all seinen Farben, seiner satten Vielfalt, mit all seiner Liebe.
Ich glaube, dass mich bestimmt noch einiges Schöne im Leben erwartet.

Das ist einfach wunder-wunderschön, weil es einfach alles, aber auch alles enthält, was den ReformzKatHohlizimus so ausmacht: ein gehörige Portion falschverstandener Mystik abgeklärt zu würzfreiem Panentheismus, Allerlösunglehre im Sinne der FrohbotschaftstattDrohbotschaftwassersuppen, radikale Diesseitigkeitserwartung, inclusive language, Womypriest-Theologie, und, ja kath-net hat das schon richtig zusammengefaßt, der Glaube an "mich", wie auch an das "Gute in mir".

Hierzu nun ein Fremdkommentar eines meiner Lieblingsautoren:
Thoroughly worldly people never understand even the world; they rely altogether on a few cynical maxims which are not true. Once I remember walking with a prosperous publisher, who made a remark which I had often heard before; it is, indeed, almost a motto of the modern world. Yet I had heard it once too often, and I saw suddenly that there was nothing in it. The publisher said of somebody, "That man will get on; he believes in himself." And I remember that as I lifted my head to listen, my eye caught an omnibus on which was written "Hanwell." I said to him, "Shall I tell you where the men are who believe most in themselves? For I can tell you. I know of men who believe in themselves more colossally than Napoleon or Caesar. I know where flames the fixed star of certainty and success. I can guide you to the thrones of the Super-men. The men who really believe in themselves are all in lunatic asylums." He said mildly that there were a good many men after all who believed in themselves and who were not in lunatic asylums. "Yes, there are," I retorted, "and you of all men ought to know them. That drunken poet from whom you would not take a dreary tragedy, he believed in himself. That elderly minister with an epic from whom you were hiding in a back room, he believed in himself. If you consulted your business experience instead of your ugly individualistic philosophy, you would know that believing in himself is one of the commonest signs of a rotter. Actors who can't act believe in themselves; and debtors who won't pay. It would be much truer to say that a man will certainly fail, because he believes in himself. Complete self-confidence is not merely a sin; complete self-confidence is a weakness. Believing utterly in one's self is a hysterical and superstitious belief like believing in Joanna Southcote: the man who has it has `Hanwell' written on his face as plain as it is written on that omnibus." And to all this my friend the publisher made this very deep and effective reply, "Well, if a man is not to believe in himself, in what is he to believe?" After a long pause I replied, "I will go home and write a book in answer to that question." This is the book that I have written in answer to it.
Lunatics, indeed. Das Buch, das Chesterton meint, ist seine unvergleichliche "Orthodoxy".

Francisco Goya, Casa de Locos.

Sonntag, 7. November 2010

Liturgisches Scheibenschießen


Die, wie es die Frau Fürstin nennt, Ich-bin-katholisch-tschudigung-soll-nicht-wieder-vorkommen-Attitüde ist ja weit verbreitet. Als Neukatholik habe ich schon viel zu häufig feststellen müssen, daß meine Umwelt von mir erwartet, daß ich ob meines Katholischseins vor Scham unablässig in den Boden sinken müßte. (Nebenbei: geht das überhaupt?) Insbesondere liebe oder auch weniger liebe Mitkatholiken einer gewissen Webart versäumen fast keine Gelegenheit um sich in der Form des "Ich bin katholisch aber ..." (beliebiges aus dem sattsam bekannten Reformkatalog bitte hier einsetzen) zu äußern.

Doch irgendwie beschleicht mich das dumme Gefühl, daß der Kathomasochismus seine Wurzeln in gewissen, vielleicht nicht ganz gelungenen hochoffiziellen Dekreten der Kirche selbst hat. So läßt sich doch kein katholischeres Fest - sehen wir mal von Fronleichnam ab - als Allerheiligen/Allerseelen denken. Aber gerade dieses Fest, oder genauer dieses Ensemble von Festen hat es schwer getroffen:
  • schon in den fünfziger Jahren entfiel die Vigil von Allerheiligen, die doch seit dem 12. Jahrhundert gefeiert wurde, und seit dem 15. Jahrhundert für die ganze Kirche verbindlich wurde
  • mit der Liturgiereform verschwand auch das "Fasten vor dem Fest", wie überhaupt die Fastenregelungen insgesamt bis auf fast schon alberne Reste verschwanden
  • mit der Liturgiereform der 60iger entfiel die Allerheiligenoktav, wurde das Fest also förmlich degradiert.
  • mit der Liturgiereform wurde Schwarz als liturgische Farbe abgeschafft, so daß wir uns nun aussuchen dürfen, welche Farbe denn an Allerseelen sowie an Totenmessen angesagt ist. Nach alter auch säkularer Tradition ist Schwarz die Farbe der Trauer. Nicht so bei den Katholiken.
  • Die Sequenz dies irae, die doch von fast jedem Komponisten von Rang und Namen (Berlioz, Haydn, Liszt, Mahler, Mozart, Verdi usw. usf. vertont wurde, verschwand aus der Liturgie, blieb nur den Konzertsälen erhalten
  • Die Abschaffung der Sequenz - war sie zu "makaber"? -  bedeutet eine weitere Degradierung des Festes Allerseelen, denn wichtige Feste wurden und werden unter anderem liturgisch durch eine Sequenz "geadelt"
Liturgisches Scheibenschießen, oder gibt es noch einen Festzyklus der nachhaltiger ruiniert wurde?

Ganz abgesehen davon, daß etwa durch den Entfall der Vigil zu Allerheiligen das Bewußtsein davon schwand, daß "Halloween", also (All) Hallow(s) e(v)en(ing), ursprünglich ein genuin christliches Fest war, und kein neopaganer Maskenball. Es rächt sich, wenn die Kirche das Feld räumt. Und dieses Feld - Halloween nämlich - hat sie 1955 geräumt. Wenn sich die Kirche gewissermaßen liturgisch selbst ins Museum notabene den Konzertsaal befördert, muß sich niemand wundern, wenn sich die säkulare Gesellschaft der "gruseligen" Botschaft der katholischen Totenfeste bemächtigt.

Über die Qualität des säkularen Halloween braucht man nicht zu diskutieren, aber dürfen wir uns wirklich darüber beschweren, daß nun die Neuheiden, die Geschäftemacher, die Spaßgesellschaft das "makabre" Fest Halloween als Event vermarkten? Dabei haben die Kinder, die sich mit Begeisterung als Geister und Knochenmänner verkleiden, wahrscheinlich besser den Sinn der "dia de muertos" verstanden, als die lieben Kirchenchristen, die mit Kerzchen und Traktätchen oder gar mit "Lutherbonbons" dagegen halten.

Introitus (Judicant sancti), Graduale (Exsultabunt Sancti), Offertorium (Exsultabunt sancti) und Communio (Justorum animae) finden sich nach wie vor, wenn auch an derer Stelle im Graduale Triplex. Also nichts hindert uns daran, die Nacht zurückzuerobern. Es sei denn, wir fürchten uns vor Knochenmänner und Kürbisköpfen.


Böse Beere


Auch wenn das catholically vielleicht nicht korrekt ist, ich mußte einfach den diesjährigen Eeeeeevil Pumpkin meiner Tochter Nadia ins Netz stellen. Sehen wir es mal als  apotropäisches Objekt, so wie die Gargoyles gothischer Kathedralen ja auch apotropäische Objekte sind. αποτροπαιος = abwehrend. Die Abwehr ist ja ein bißchen außer Mode gekommen, nicht? Als da wären Gargoyles, Exorzismen und Chapel Veils.

Botanisch gesehen ist der Kürbis eine Beere.

Freitag, 5. November 2010

Gerührt wie Apfelmus ...

nachdem mir die verehrten, teils hochwürdigen Damen und Herren der deutschsprachigen Blogozese gleich zwei Ehrentitel verliehen haben. Einesteils Bronze in der Kategorie Großmaul. Andresteils einen Sonderpreis, den ich meiner Funktion als Erklärbär für die wunderlichen Macken meiner 68er Mitschwestern und Mitbrüder, notabene Mitschwesteriche und Mitbrüderinnen zu verdanken habe.

Auch wenn ich NIEMALS die Chance haben werde, Gold in der Kategorie Großmaul zu erringen, werde ich doch meine Bemühungen verdoppeln, ja verdreifachen.

Vielen Dank Euch allen, vor allem Alipius für seine unendliche Mühe.

Sonntag, 31. Oktober 2010

Das Katholische und das Makabre.


1. Taylor Marshall hat sich dieser Tage die Frage gestellt, was denn nun makabrer sei, Halloween oder das Reformationsfest. Die Antwort sollte nicht schwer fallen.

2. Halten wir uns etwas bei dem Wort makaber auf. Unter meiner Rosenkranzsammlung finden sich drei ältere Rosenkränze die mit einem memento mori versehen sind. Auf einer Seite zeigt ein memento mori einen Totenschädel auf der anderen das Gesicht des mit einer Dornenkrone gemarterten Jesus. Ein makabres Sujet. Deshalb völlig außer Mode.

3. Das Wort makaber taucht zum ersten Mal in der Zeit des schwarzen Todes auf, im 14. Jahrhundert. Die Etymologie des Wortes ist nicht ganz eindeutig. Nach Meinung der Mehrheit der Sprachforscher  leitet sich das Wort ab von dem lateinischen Maccabaeorum Chorea, dem Tanz der Maccabaeer.

4. Da dieser Blog ja auch von zarten Gemütern gelesen wird, hier nur ein link auf das im Wortsinn makaberste Kapitel der Bibel.

5. Die sieben makkabäischen Brüder werden, genauer gesagt wurden, von der Kirche als Märtyrer verehrt. Ihre Reliquien ruhen in der Kirche St. Petri zu den Ketten. Und mit dem Fest S. Petri ad Vincula (Petri Kettenfeier)  am 1. August wurde auch der sieben makkabäischen Brüder und ihrer Mutter gedacht. Das Fest fiel der Kalenderreform zum Opfer. Seitdem ist die Kirche also nicht mehr makaber.

6. Bekanntlich begann die lutherische Opposition mit einer Polemik gegen die katholische Lehre über den Ablaß der Sündenstrafen. Heute am 31. Oktober vor 493 Jahren veröffentlichte Luther seine Thesen.

7. In der Folge distanzierte sich Luther auch von den damit verbundenen Lehren sowie der liturgischen Praxis der Anrufung der Heiligen, des Gebets für die Toten und der Verehrung der Märtyrer. Die Verehrung der sieben makkabäischen Märtyrer wird dem Reformator ein Dorn im Auge gewesen sein, wenn er auch ihr Beispiel lobt. Aber das 2. Buch der Makkabäer wollte Luther, wie er in der Vorrede zu 2. Makk erklärt, aus der Heiligen Schrift "herauswerfen". Er bringt dafür eher ästhetische Gründe, tatsächlich überwiegen die theologischen.

8. Noch heute finden sich 1. und 2. Makkabäer in protestantischen Bibeln, wenn überhaupt (in meiner Konfirmandenbibel fehlen sie) unter den "apokryphen", also den im Grunde häretischen Schriften. Im Falle 2. Makk. hat dies profunde theologische Gründe. 2. Makk. bestätigt, daß die Anrufung der Heiligen, das Gebet für die Toten, die Praxis der liturgischen Opfers für die Toten, die Verehrung der Märtyrer zur liturgischen Praxis der vorchristlichen Pharisäer gehörte. Heute scheint uns dies als typisch katholisch.

9. Daß Luther für seinen Thesen"anschlag" (der wohl so nie stattgefunden hat), den 31. Oktober, den Vorabend der beiden wichtigsten "makabren" Feste Allerheiligen und Allerseelen gewählt hat, wird kein Zufall gewesen sein. An diesen beiden Tagen konzentrierte sich, was Luther bekämpfte, die Heiligenverehrung wie die Fürbitte und das Opfer für die Toten. Luther waren diese Fest im Wortsinn zu makkaber.

10. Das Makabre an diesen drei Tagen, einschließlich des Gruselfests Halloween (All Hallow´s Eve(ning)) ist genuiner Ausdruck des katholischen Glaubens. Die kleinen Kinder, die sich mit Totenköpfen schmücken und als kleine Geister durch die Straßen ziehen, und die von uns ein kleines Opfer in Gestalt von ein paar Zuckerstücken fordern, handeln catholically correct, sie liegen richtiger als der christliche Politiker der gleich das ganze Christentum durch Halloween gefährdet sieht. Und dabei ganz nebenbei vergißt, daß Reformationsfest und Allerheiligenabend antagonistische Feste sind.

Das Bildchen stammt von einer von den amerikanischen Franziskanern betriebenen Website.

Samstag, 30. Oktober 2010

Krabben mit Remouladensoße katholisch/muslimisch


Neulich geschahs. Eines Tages mußte es ja so kommen. War jedem klar, der Sarrazins Thesen von der mählichen Durchdringung des christlichen Abendlandes durch muslimische Einwanderer kennt, und ihre zwingende Logik verstanden hat.

Matthias Matussek begegnete einem Kopftuchmädchen!

Nun war es nicht ganz so hinreißend wie Grace Kelly, Ikone und Vorbild abendländischer Kopftuchmädchen. Aber schon niedlich. (Schon klar, 22jährige junge Frauen wollen ja keineswegs "niedlich" oder "süß" aussehen, aber dies ist hier unvermeidlich.)

Den erd- mark- oder werweißwassonstnoch erschütternden Schock, den diese Begegnung auslöste, kann man nachvollziehen, wenn man diese Zeilen liest:
Sie isst frittierte Krabben mit Remouladensauce aus einer mitgebrachten Pappschachtel. Mit den Fingern. Das tut man eigentlich nicht.
Das "eigentlich" hat uns gerade eben noch gerettet. Und die Ausrufezeichen hinter jedem Satz hat er sich augenscheinlich gerade noch so verkniffen. (Mittlerweile wissen wir, daß Matussek selbst Krabben mit Remouladensoße gegessen hat! Im Speisewagen! Mit den Fingern! Das war gewiß der Schock, sozusagen der Clash of Ciliizations, der Dastutmannicht- und der KrabbenmitRemouladensoßeimSpeisewagen - civilization)
Sie trägt ein Kopftuch. Das tut man erst recht nicht in diesen Tagen, denn es sieht antidemokratisch und anti-emanzipatorisch aus.
Wieder fehlen die Ausrufezeichen. Mein geistiges Ohr jedenfalls hört es vernehmlich knirschen, so muß er sich zurückgehalten haben..
Ach ja, sie war es, die mich angesprochen hat.
Dieser Schock wird die Bloggerszene noch Monate durchschütteln. Vor allem Matthias Matussek.

Nun leider ist der Rest des Artikels staatstragend und tiefschürfend, statt, was wir doch an M.M. so lieben, witzisch, selbstironisch und dezent ernst-unernst. Ja, daß muß der Schock gewesen sein, Dabei war das Gespräch offenbar wesentlich unterhaltsamer und lustiger, als der Artikel, den M.M. darüber geschrieben hat.
Dann fragt mich Matussek: "Sie haben doch Humor, oder?" Nee, habe ich beim Integrieren verloren, erkläre ich. Das Dauergrinsen auf meinem Gesicht komme daher, weil ich meine Gesichtsmuskeln nicht kontrollieren könne. Dann muss halt der Gesichtsschleier her, beschließen Matussek und ich. Sonst wird das nie was mit meiner Integration in Deutschland.
1:0 für Kübra Yücel. Jedenfalls soweit es um die Nachbereitung dieses Gesprächs geht. Ansonsten ist der Post auch so toll wieder nicht, sondern ist gekennzeichnet von der immer ein bißchen heulsusigen Larmoyanz, der die offiziellen Stellungnahmen muslimischer Vereine ebenso kennzeichnet wie - leider -die schon ein bißchen wachere muslimische Bloggerszene.

Aber wer weiß. Vielleicht hat dieses wahrhaft epochale Ereignis ja noch Folgen jenseits harmoniesoßiger Präsidentenansprachen aus der Abteilung "Kultur und Gedöns".

Grace Kelly, glamourösestes Kopftuchmädchen aller Zeiten in ihrem Hochzeitskleid. Nur mal so zur Erinnerung an  1. Korinther 11,2-16.

Freitag, 29. Oktober 2010

Ex oriente lux!


Die Schwester-Robusta-Preise der Blogozese sind vergeben. Und unsere Pfarrgruppe (sie nennt sich "....."-Ost, daher unser Wahlspruch) liegt mit einmal Gold, zweimal Bronze und einem Sonderpreis weit vorne!

Ist nicht ein kleines Lächeln zu erkennen, ja vielleicht ein Schmunzeln?

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Oy vey!


Nachdem ich nun mehrfach die FAZ-Seite "Ich schreibe wie" angewählt und diverse Text eingegeben haben, läßt sich die Wahrheit nicht mehr verbergen: Ich schreibe nicht wie Goethe, Schiller oder Wiglaf Droste, sondern wie Freud! Ausgerechnet wie dieser vertrocknete, miesepetrige Psykiater Freud!

Hat jemand ein bißchen Trost für mich?

Habe in einem leisen Anflug von Hoffnung an Zufall geglaubt und habe heute noch einen ganz neuen, ganz anderen Text eingegeben und wieder: Sigmund Freud (das Leben verpfuscht, die Karriere ruiniert)

Montag, 25. Oktober 2010

Europa ohne Mitteldrümmel


Ja die tolle Rede unseres Präsidenten mit der Quintessenz "Der Islam gehört zu Deutschland" geht und ging ja nicht nur mir durch den Kopf. Nun, nachdem First Patchwork in der Türkei erklärt hat, daß das Christentum zur Türkei gehört, bin ich irgendwie beruhigt. Sieht man beide Reden zusammen, so meint das rätselhafte "gehört zu" schlicht das schlechthinnige Da-Sein als solches. Denn daß ansonsten der Islam mit Millionen von Gläubigen und tausenden von Moscheen in Deutschland irgendwie anders zu Deutschland gehört, als das Christentum zur Türkei, wo gerade mal ein paar 10.000 Menschen aller Konfessionen, ein ganzes Promille der Bevölkerung, sich noch christlich nennt, ist doch eindeutig.

Macht man es an den Zahlen fest, dann gehört das Christentum in etwa in der selben Weise zur Türkei, wie der Hinduismus zu Deutschland, es ist eben irgendwie da. Also doch eine Aussage, die sich in ihrer Banalität kaum überbieten läßt. Oder nicht? Wenigstens ein deutscher Bischof hat dem BuPrä widersprochen - oder auch nicht.

Und hat ebenfalls Widerspruch erfahren. Nicht nur von Patrick Bahners, sondern Uúnter anderem von den *Piep*liberalen.
Die deutsche Verfassungsgeschichte würde ... verklärt, wenn das Grundgesetz als Entwicklung aus dem "christlich-jüdischen Erbe" interpretiert würde. Das Christentum ist nicht die deutsche Staatsreligion, sondern ein persönliches Bekenntnis der Bürger. Tatsächlich reichen die Wurzeln unserer Verfassungsidee zurück nach Athen und Rom, ihre Prinzipien wurden in der Aufklärung freigelegt und seit der Französichen Revolution erkämpft - oft genug gegen den Widerstand der Kirchen.
So der Generalsekretär der FDP, Christian (sic!) Lindner in der FAZ vom 18. Oktober. Nun wäre es nicht schwer, als Volljurist über den studierten Politologen abzulästern, der Öffentliches Recht offenbar nur im Nebenfach belegt hat. Ein Blick in das Grundgesetz genügt doch schon, die These des Herrn zu widerlegen.
Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.
Verantwortung vor Gott, so sahens die Verfassungseltern (um es mal korrekt in vorblldlich inklusiver language zu sagen). Und die sahen es nicht mal eben so sondern aus gutem verfassungshistorischen und rechtsphilosophischem Grund. Was man vielleicht am dritten Satz des obigen Zitates noch ein wenig klarer darstellen kann. Der zeitgenössischen Geschichtsschreibung zufolge hat das Menschsein kulturell mit Rom und Athen begonnen, um sich dann in Aufklärung und französischer Revolution endgültig Bahn zu brechen. Der Weltgeist, um es hegelianisch zu sagen, hat also gewissermaßen zwischen Absetzung des letzten weströmischen Kaiser Romulus Augustulus im Jahre 476 und der Schließung der Platonischen Akademie im Jahre 529 durch den oströmischen Kaiser Justinian I. bis 1789 mal eben Pause gemacht.

Europa ohne Mitteldrümmel. Eintausendzweihundertsechzig Jahre (jüdisch-christliche) mittelalterliche Fünsternuß. Besieht man sich diese These, dann kommt man vor allem zu einem Urteil: daß der Liberalismus, zumindest der deutsche dieser Tage, völlig auf den Hund gekommen ist.
Es gibt drei Hügel, von denen das Abendland seinen Ausgang genommen hat: Golgatha, die Akropolis in Athen, das Capitol in Rom. Aus allen ist das Abendland geistig gewirkt, und man darf alle drei, man muss sie als Einheit sehen.
So hören wir es noch im Jahre 1950 von dem wohl bekanntesten Liberalen der Nachkriegszeit, Theodor Heuß. Der wiederum gewußt haben wird, daß er nicht das copyright für diesen genialen Satz geltend machen kann. Diese Ehre gebührt Gonzague de Reynold, einem schweizerischen katholischen Konservativen. Es gab also einmal eine Zeit, da haben selbst Liberale gewußt, daß die auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der, wie es das GG sagt, unantastbaren Würde des Menschen gegründete Kultur der "freien Völker der westlichen Welt" Wurzeln hat. Nicht nur römisch-griechische, sondern römisch-griechisch-christliche Wurzeln.

Der fadenscheinige Legalismus und Positivismus der von Herrn Lindner herbeigeschriebenen republikanischen Offensive hat einen gewaltigen Pferdefuß. Sofern Verfassung und Recht nicht im (römisch-griechisch-christlichen) Naturrecht wurzeln, endet´s in der Dikatur des bloß Konventionellen, schlimmstenfalls im Terreur der blauen oder roten Jakobiner.

Das heutige Bild hat wenigstens ein griechisches Sujet. Orestes. Dargestellt von meinem Lieblingsmaler Bouguereau.

Freitag, 22. Oktober 2010

Geisterstunde



Ein Frösteln durchschauert  die Blogozese. Gänsehautalarm. Der GEIST DES KONZILS hat wieder sein Gorgonenhaupt erhoben. Doch Rettung naht. Bald ist wieder die Geisterstunde des Kirchenjahres. Vorschläge für eine kreative Rückeroberung von Halloween durch authentische katholische Rückführung des Themas Grusel, Schock und Horror in den Schoß der Mutter Kirche hier.

Und ganz franziskanisch und vor allem für die lieben Kleinen hier.

Ja, und warum assoziieren alle reformgeschädigten braven Kinder der una sancta ecclesia catholica et apostolica eigentlich bei GEIST DES KONZILS (oh Freunde werde bleich gleich mir!) sofort das Lied KUMBAYA? Der Amerikaner hat mit Kumbaya-Catholics sogar eine soziologisch präzise umschreibbare religiöse Gruppe mit diesem Lied etikettiert. Someone´s dissin´, Lord, Kumbaya. Sogar die Bubblegum-Produzenten und amerikanische Rapper könen sich nicht mehr zurückhalten und machen authentisches christliches Liedgut lächerlich.

Wie groß ist wohl die Schnittmenge zwischen Cafeteria- und Kumbaya-Catholics? Ob wohl DER PRÄSIDENT das Lied kennt, singt und GAAAAAANZ TOLL findet?

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Et lux perpetua luceat ei, Loki Schmidt

Ich kann mich nicht dran erinnern, Helmut Schmidt jemals anders gesehen zu haben als in korrektem dunkelblauen Anzug, mit wohlgekämmter Frisur, und allem, was einen hanseatischen Gentleman ausmacht. Ebensowenig wie ich mich an ein Bild von Loki Schmidt erinnern kann, das nicht das kühl-damenhaft-nordische Flair der gebürtigen Hanseatin rüberbringt. Hamburg eben (Hammurch, phon.).

Ich erinnere mich noch gut an den Auftritt des damals 65jährigen Schmidt auf dem SPD-Parteitag 1983, hanseatisch kerzengerade, angetan mit dem obligatorischen dunkelblauen Dreiteiler, zwischen nicht mehr ganz taufrischen Middleage-Feministinnen im Schlabberlook und wuscheligen SoziÖkoPaziFreaks mit Bart und Fischerpullover, wie er da völlig ungerührt vom pazifistischen Zeitgeist den von ihm vorangebrachten Nato-Doppelbeschluß verteidigte und in der Abstimmung, ohne seine stets etwas leicht grimmige Miene zu verziehen, eine 386:14 Abstimmungsniederlage hinnahm.

So standfest und stur, wie Helmut Schmidt seine gänzliche eigene Meinung verteidigte, so standfest blieb er auch an der Seite seiner Ehefrau, mit der er 68 Jahre verheiratet blieb. Allein schon ein Grund, Loki Schmidt ein ehrendes Gedenken zu bewahren, angesichts der Politikerrealitäten, wo selbst katholische Christdemokraten nichts mehr dabei finden, sich Nebenfrauen zuzulegen, oder uns mit der fröhlichen Patchwork-Familie mit deutlich jüngerer Zweitfrau zu erfreuen.

Den Wert schmidtscher Gradlinigkeit habe ich, wie viele meiner Generation, zu spät erkannt.

Die Schmidts werd ich heute in mein Gebet einschließen.