Donnerstag, 8. April 2010

Rumpelmette und die Hermeneutik des Bruchs.

Einer der Gründe für unsere Reise nach Wigratzbad war der Wunsch, an den Osterfeiertagen an den Messen und Tagesgebeten des Triduum sacrum im usus antiquior teilzunehmen. Denn angeblich ist dies ja für "gewöhnliche" Gemeinden nicht erlaubt, so jedenfalls die Lesart der Deutschen Bischofskonferenz. Nun nutzt die Petrusbruderschaft die Sühnekirche aber gemeinsam mit den für die Betreuung der Wallfahrtsstätte eingesetzten Priestern, und siehe da - was angeblich nicht gehen kann, geht in Wigratzbad durchaus. Man arrangiert sich eben, und so findet die Karfreitagsmesse eben zweimal statt, um 14 und 17 Uhr - und viele Gläubige, selbst die zelebrierenden Priester, nehmen an beiden Messen teil. Dasselbe Arrangement gilt für die Samstagsmesse, die dann für die Priesterbruderschaft um 22 Uhr 30 stattfindet. und damit schon ziemlich spät endet.

Eine Form der Mette, das Officium tenebrarum feiert allerdings die Bruderschaft alleine - den diese ganz besondere und ganz besonders alte Form ist nach dem II. Vaticanum so nicht mehr möglich. Das II. Vaticanum hat unter anderem die Stundengebete (S.C. Kap. IV) radikal umgestaltet, mit dem Ziel den "heutigen Lebensverhältnissen Rechnung zu tragen". Ergebnis ist unter anderem die Abschaffung der nächtlichen Matutin - sie wird durch die Lesehore ersetzt - und die Kürzung der Psalmengebete. Damit verbunden ist dann logischerweise die Ausweitung des Psalteriums zu einem Zwei- und Vierwochenpsalterium, damit angesichts der kürzeren Horen dann doch das gesamte Psalterium "abgehandelt" werden kann.

Dies schließt nun die Feier des Officium tenebrarum aus, denn dieses setzt sich aus der nächtlichen Matutin und den Laudes zusammen, die wiederum die Lesung oder den Gesang von insgesamt vierzehn (drei mal drei für die Matutin und fünf für die Vesper) Psalmen und Cantica vorsieht. Zwar gibt es noch eine verkürzte Version, die mit dem alten Officium tenebrarum jedoch rein gar nichts mehr zu tun hat.

Verbunden ist das Officium, das in dieser Form wenigstens 1500 Jahre alt ist, mit einem eigentümlichen Ritus. Auf einem wie eine Triangel geformten Kerzenständer sind insgesamt 15 Kerzen angebracht, nach jedem der insgesamt 14 Psalmen und Cantica wird eine dieser Kerzen gelöscht, am Schluß - während das Benedictus gebetet wird - auch die 6 Altarkerzen, eine Kerze bleibt übrig. Diese wird zunächst auf den Altar gestellt, dann hinter dem Altar versteckt, jedoch ohne sie zu löschen. Nach der vor der Reform von 1955 üblichen Weise wurde dann in völliger Dunkelheit Psalm 50 rezitiert. Der Ritus endet damit, daß die Anwesenden mit ihren Bücher auf die Bänke trommeln (Was bei dieser Form der Mette denn auch im Deutschen zum Namen "Rumpelmette" geführt hat), der Zelebrant holt die Kerze wieder hervor und stellt sie erneut auf die Spitze der Triangel.

Für diesen Ritus gibt es eine sinnreiche Erklärung: Die vierzehn Kerzen symbolisieren die 12 Apostel, und die beiden Marien, die Christus in seiner größten Not nach und nach verlassen. (die beiden Marien erst ganz zuletzt, die Apostel zuerst) Der Herr stirbt in völliger Einsamkeit und in der Dunkelheit, die sich über Jerusalem ausbreitet. Das "Gerumpel" erinnert an das Erdbeben, das nach dem Tod Christi die Stadt erschüttert, doch der Herr ist nicht gestorben, er wird wieder auferstehen aus dem Dunkel des Grabes.

Heute findet die Dunkelmette bedingt durch die Reform des Jahres 1955 nicht in der Nacht (ursprünglicher Termin war Mitternacht oder die übliche Urzeit der Matutin, drei Uhr) sondern am Vormittag statt. Immerhin findet sie überhaupt noch statt. Es existieren zahlreiche Vertonungen, praktisch jeder bekannte Kirchenkomponist hat für die Tenebrae komponiert. Und in Newmanns "Apologia pro vita sua" lese ich, daß er auf einer Reise nach Rom bewußt an keinem Gottesdienst teilgenommen habe, außer an den Tenebrae in der Sixtinischen Kapelle, vor allem um das Miserere zu hören. Ehrlicherweise sollte man den Untergang der Tenebrae, und damit den Untergang eines einzigartigen liturgischen Erbes nicht den Liturgiewissenschaftlern - allen voran Bugnini - in die Schuhe schieben. In diesem Fall ist das Konzil selbst für den Traditionsbruch verantwortlich zu machen. In diesem Fall kann nur die Hermeneutik des Bruchs richtig sein.

2 Kommentare:

Admiral hat gesagt…

Hallo,

ich habe eine Frage zur benutzten Nomenklatur:

Das bei den Matutin umgangssprachlich von Messe wegen der Wortähnlichkeit die Rede ist kann ich gut nachvollziehen.

Allerdings frage ich mich, ob die Bezeichnung "Messe" auf die Karfreitagsliturgie zutreffend ist, da sie weder Nachts (zur Zeit der Matutin) stattfindet, noch eine "Messe" im Sinne der sonst im Jahr stattfindenden Messen ist (es kommt kein "Ite Missa est" vor; der Kanon wird nicht gebetet).

Wie läßt sich also die Benutzung von "Messe" hier erklären?

Viele Grüße und bitte weiter so gute Artikel hier im Blog,
Daniel

Anonym hat gesagt…

Die Trauermetten sind echt ein Erlebnis. Ich habe am Karfreitag um 8.00 Uhr in Fritzlar an einer teilgenommen. Die Antiphonen waren auf Latein, die Psalmen deutsch gesungen. Die Schriftlesungen (Klagelieder) wurden ebenfalls lateinisch gesungen. Die Responsorien dazu waren ebenfalls auf lateinisch und musikalisch phantastisch! Das ganze war ungemein intensiv. Ich kann so etwas nur jedem empfehlen.
Hier ein Link mit Bildern:
http://www.basilika-dom-fritzlar.de/domgemeinde/kar-und-osterfeier/trauermetten.html