Sonntag, 30. Mai 2010

Denn es ist nicht gut, daß Gott allein sei.


Dem Verstand mag der dreifaltige Gott des Athanasianischen Glaubensbekenntnisses ein Rätsel sein; aber das Geheimnisvolle und Grausame eines Sultans hat er viel weniger an sich als der einsame Gott von Omar oder Mohammed. Dieser Gott, eine furchterregende Einheit, ist nicht bloß ein König, sondern ein orientaltscher König. Das Herz der Menscheit, zumal der europäischen, findet gewiß mehr Befriedigung an den eigenartigen Vergleichen und Symbolen, die die Idee der Dreifaltigkeit umgeben: an ihrer Vorstellung von einer Freiheit und Vielfalt, die es noch in der innersten Kammer, der Herzkammer der Welt gibt. Denn die abendländische Religion hat seit jeher mit Scharfblick gesehen: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei." Allenthalben setzte der Geselligkeitstrieb sich durch, und die orientalische Idee der Eremiten wurde von der abendländischen Idee der Mönche vertrieben. Selbst die Askese wurde zu brüderlicher Gemeinschaft, und die Trappisten lebten miteinander, auch wenn sie schwiegen. Wenn wir diese Liebe zur lebendigen Vielfalt als Maßstab nehmen, dann ist die Religion der Dreifaltigkeit eindeutig gesünder als die unitarische Lehre. Für uns Trinitarier (wenn ich das mit aller Ehrerbietung sagen darf), für uns ist Gott Selber etwas Geselliges. Seine Geselligkeit ist freilich ein unergründliches Mysterium der Theologie, und selbst wenn ich Theologe genug wäre, um mich direkt damit zu befassen, wäre es hier nicht ratsam. Uns mag die Feststellung genügen, daß die rätselhafte Dreifaltigkeit so erquickend ist wie Wein und so offen wie ein englischer Kamin; daß sie den Verstand zwar in Verwirrung stürzt, dem Herzen aber vollkommene Ruhe bringt. Aus der Wüste hingegen, aus der Dürre und der unbarmherzigen Sonnenhitze, kommen die grausamen Kinder des einsamen Gottes, die eigentlichen Unitarier, die mit dem Krummsäbel in der Hand die Welt verheert haben. Denn es ist nicht gut, daß Gott allein sei. (Gilbert Keith Chesterton, Orthodoxie, Kap. VIII)

Der Gnadenstuhl ist eine seit der Romanik gebräuchliche Form der Darstellung der Heiligen Trinität.

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