Donnerstag, 9. September 2010

Ausgemerkelt


Bestellt hab ich DAS BUCH ja, und hoffe inständig, daß es von einem Boten mit hochgeschlagenem Mantelkragen und in einem NEUTRALEN Umschlag geliefert wird. Tja so ändern sich die Zeiten, als ich noch jung war (das ist so vierzig Jahre her) bekam man die Kondome in einem neutralen Umschlag und trug die Bücher offen mit sich herum. Heute prangen an jeder Ecke RIESENPLAKATE mit GIGANTISCHEN Kondomen, aber Bücher kriegt man nur noch unter dem Ladentisch.

Vor wenigen Tagen war ich Ohrenzeuge eines Gesprächs in einem Buchladen. Kundin: "Ist der Sarrazin wieder da?" Verkäuferin: "Ja, ausgelegt ist der bei uns nicht, aber ich glaube wir haben eine Lieferung bekommen, ich weiß es aber nicht so genau." Kundin: "Lassen Sies gut sein, ich glaub sowieso nicht mehr, daß ich den noch zu kaufen kriege, der wird bestimmt bald verboten."

Die Frau war völlig ernst, kein Anflug leiser Ironie.

Mittlerweile ist wohl das nächste Opfer der Sarrazin-Hysterie zu beklagen. Erika Steinbach hat Angela Merkel den Bettel vor die Füße geworfen. Sie fand (u.a.) den Umgang mit Sarrazin einfach Scheiße. Keine Böcke mehr, das konservative Feigenblatt einer ausgemerkelten CDU zu spielen.

Hört man die Schnulzensänger der 68er-Westalgie, herrschte in den fünzigern eitel Finsternuß, bis der Luziferus des 68er-Genies die dumme, dunkle, dumpfe Welt der Adenauerzeit erleuchtete, und der Wind of Change den "katholischen Mief" hinwegblies.  Rückblickend und nicht nur als Kind der 50er, sondern auch als politisch interessierter und leidlich informierter Mensch sehe ich die 50er Jahre als die wohl freieste, kreativste Periode der Republik, eine Zeit nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch geistiger Prosperität.

Erstaunlich, daß dagegen in einer Gesellschaft wie der heutigen, in der alles beliebig, alles frei wählbar ist, sogar das eigene Geschlecht, die freie Meinungsäußerung, jedenfalls eine Meinung, die nicht mit dem Mainstream konform geht, zum existentiellen Risiko wird. Herman, Mixa, Sarrazin, Steinbach. Wer ist wohl der nächste, der unters Fallbeil muß?

3 Kommentare:

Der Herr Alipius hat gesagt…

Mal abwarten...
Ich arbeite dran! ;-)

Stanislaus hat gesagt…

Was wohl passieren würde, wenn sich alle Sarrazins und Steinbachs zusammentäten. Ob die wohl über die 5%-Hürde kämen?

Johannes hat gesagt…

Nach Umfragen kämen da wohl 18 % zusammen. D.h. ein Fünftel der Bevölkerung sieht sich von den Linksliberalen nicht mehr vertreten. Im 19. Jahrhundert entstand in einer ähnlichen Situation die Zentrums-Partei. Und die hat dann letztlich 70 Jahre später die Bundesrepublik gegründet. Was geschehen kann, wenn sich die Partei selbst von ihren Wurzeln lösen, kann man in Italien besichtigen. Die DC ist nicht mehr existent.