Freitag, 6. Mai 2011

´s ist Krieg - ein Nachwort


Daß ich die Tötung Osama bin Ladens irgendwie nicht ganz ungut finde, irritiert offenbar viele. Daß ich das Reden über die angeblich "gezielte Tötung" (von der wir noch immer nicht wissen, ob es eine solche war) aus prinzipiellen Gründen für  abwegig halte, finden noch mehr schwer verständlich. Daß ich meine, daß von "rechtsstaatlichem Verfahren", "Unschuldsvermutung", "Menschenrechten" hier völlig überflüssigerweise geredet wird, kapiert schon gar keiner mehr.

Ich versuche mich hiermit an einer Erklärung. 

Es kann hier nicht die Rede sein von der "Festnahme" eines "Verbrechers". Osama Bin Laden ist weder in der Sicht seiner Verfolger, schon gar nicht in seiner eigenen Sicht ein "Verbrecher", so verbrecherisch seine Taten und die Taten von Al Qaida auch gewesen sein mögen. Um zu verstehen, was am "Gerechtigkeitssonntag" (when "justice had been done" (Obama, button unten rechts besser nicht klicken)), dem 1. Mai 2011 geschehen ist, muß man die Dinge so sehen, wie sie die, wie es in PC-Deutsch so schön heißt, Betroffenen sehen. 

Wie sah George W. Bush die Jagd nach Bin Laden? Als war against terrorism.

Wie sieht der Friedensnobelpreisträge Obama die Jagd nach Bin Laden? Als, wie zu hören ist, "war against al Qaida". In diesem Video spricht nicht der President of the United States, sondern der Commander in Chief. Nicht der Justizminister, sondern der Oberbefehlshaber der Armee, der die Aktion gegen Osama Bin Laden kommandiert.

Wie der andere Betroffene es gesehen hat, Osama Bin Laden, wissen wir. Als Feldzug gegen den "Großen Satan". Wir halten fest: Feldzug.

Mit welchem Recht sehen wir es anders? Warum sehen vor allem die "guten Deutschen" eine kriegerische Handlung als Polizeiaktion? Warum ist hier von "Hinrichtung" die Rede, warum von "gezielter Tötung"? Warum polemisiert ein amerikanischer Kommentator gegen die USA und Israel als die "einzigen Staaten, die sich das Recht herausnehmen, ihre Gegner gezielt zu liquidieren".  Warum wedelt Andrew Napolitano mit der Verfassung? Weil er den Kampf gegen Al Qaida nur als "Polizeiaktion" für legitim hält. Und dabei unter den Tisch fallen läßt, daß ein "polizeilicher" Kampf gegen Al Qaida von vorneherein verloren ist.

Unter anderem weil eine Polizeiaktion in Staaten, deren Regierung ihr Gewaltmonopol nicht durchsetzen kann, wie der nicht gefallene, aber fallende Staat Pakistan, dessen Sicherheitskräfte infiltriert sind, scheitern muß. Schon deshalb, weil die Zuständigkeit für diese Polizeiaktion der "falling state" selbst hat. Rechtsstaatlich gesehen, hat der CIA in Pakistan nichts zu suchen. Völkerrechtlich gesehen, haben die "Seals" in Pakistan kein Zugriffsrecht. Bei Achtung rechtsstaatlicher und völkerrechtlicher Normen würde Bin Laden heute noch in seiner Villa sich an seinem Harem erfreuen und Terroraktionen koordinieren.

Aber Al Qaida ist keine Drogendealerbande. Al Qaida ist, was Al Qaida sein will. Eine Partisanenarmee im Kampf gegen die "westliche" Zivilisation, den "Großen Satan".

Sieht man es aus der Sicht Osama Bin Ladens, aus der Sicht eines Soldaten auf dem Feldzug gegen den Großen Satan, wird es auf einmal absurd, von einer "gezielten Tötung" zu reden. Ein Soldat, der sich in einer aussichtslosen militärischen Situation nicht ergibt, wird nicht überleben. Er wird "gezielt getötet". Daß sich Bin Laden ergeben könnte, ist völlig ausgeschlossen.

Und wenn man nach der moraltheologischen Legitimation dieses Krieges sucht, wird man finden, daß auch die katholische Kirche, die niemals die Naturrechtslehre vom "gerechten Krieg" aufgegeben hat, den "war against terrorism" nicht als verwerflich ansehen kann. Dieser Krieg erfüllt alle Voraussetzungen, die ein gerechter Krieg nach der von Augustinus begründeten Lehre erfüllen muß:
- Der Schaden, der der Nation oder der Völkergemeinschaft durch den Angreifer zugefügt wird, muß sicher feststehen, schwerwiegend und von Dauer sein.
- Alle anderen Mittel, dem Schaden ein Ende zu machen, müssen sich als undurchführbar oder wirkungslos erwiesen haben.
- Es muß ernsthafte Aussicht auf Erfolg bestehen.
- Der Gebrauch von Waffen darf nicht Schäden und Wirren mit sich bringen, die schlimmer sind als das zu beseitigende Übel. Beim Urteil darüber, ob diese Bedingung erfüllt ist, ist sorgfältig auf die gewaltige Zerstörungskraft der modernen Waffen zu achten.
Eine äußerst moderne Fassung übrigens, kennt sie doch nicht nur den Krieg zwischen Nationen, sondern auch den "Krieg gegen die Völkergemeinschaft" und erwähnt sie doch die Zerstörungskraft von Massenvernichtungswaffen. Sofern man nicht dem Irrglauben anhängt, daß es genüge, "auf die Menschen zuzugehen", wird kein Mensch, der sich um ein gerechtes Urteil bemüht, den USA absprechen können, einen gerechten Krieg gegen Al Qaida zu führen.

Über den Charakter des Krieges von Al Qaida sollte man sich keine Illusionen hingeben. Osama war der "absolute Partisan." Die USA ist und war in der Vorstellungswelt des Terrors - keineswegs nur des Terrors von Al Qaida, sondern  auch der RAF oder der RZ - der absolute Feind. Wir erleben den Krieg, den der Rechtsphilosoph Carl Schmitt in einer seiner düstersten Visionen voraus-gedacht hat, als "asymmetrischen" Krieg.
„Die Feindschaft wird so furchtbar werden, dass man vielleicht nicht einmal mehr von Feind oder Feindschaft sprechen darf und beides sogar in aller Form vorher geächtet und verdammt wird, bevor das Vernichtungswerk beginnen kann. Die Vernichtung wird dann ganz abstrakt und ganz absolut. Sie richtet sich überhaupt nicht mehr gegen einen Feind, sondern dient nur noch einer angeblich objektiven Durchsetzung höchster Werte, für die bekanntlich kein Preis zu hoch ist. Erst die Ableugnung der wirklichen Feindschaft macht die Bahn frei für das Vernichtungswerk einer absoluten Feindschaft.“ (Carl Schmitt, Theorie des Partisanen, 1963)
Goya Radierung illustriert eine fiktive Szene aus dem spanischen Partisanenkrieg gegen die napoleonische Besatzung. Carl Schmitt hat diesen Krieg in seinem Werk bearbeitet. Die absolute Feindschaft bezog Schmitt allerdings noch auf den Staatsterrorismus. Schmitt dachte an den Albtraum eines nuklearen Krieges. Den Terrorismus der RAF, der als Teil des internationalen Terrorismus nur ein Vorspiel gegen den Terror von Al Qaida war, war nicht Thema der Schrift.

2 Kommentare:

Arminius hat gesagt…

Nun ja, man muß sich wirklich nicht über den Tod eines Menschen freuen, auch wenn er Osama bin Ladin heißt. Aber bedauern muß man den Kerl nun auch wieder nicht. Seine Elimination wird wahrscheinlich vielen Menschen das Leben gerettet haben.

Nun schmort bin Ladin also vereint mit seinem Vorbild Mohammed in der Hölle. Sicher, er wird sich bei seiner Ankunft etwas erschrocken haben, hatte er doch erwartet, von ein paar Dutzend Jungfrauen begrüßt zu werden. Aber das passiert schon mal, wenn man auf die falsche Reklame hört.

Laurentius Rhenanius hat gesagt…

Danke für die Darstellung. Ich teile diese Position vollkommen.