Mittwoch, 7. September 2011

Arnd Brummer und die alte Schachtel EKD


Arnd Brummer, Chefredakteur des protestantischen Subventionsblättgens "Chrismon", immerhin die auflagenstärkste - weil aus Kirchensteuergeldern finanzierte - "christliche" Zeitung Deutschlands, hat ein artiges Artikelchen geschrieben, wohl dem Heiligen Vater zum Gruß, den er in diesem Artikel nach allen Regeln der Kunst in die Pfanne haut. Benedikt des XVIten Kritik am "Relativismus" - umgangssprachlich könnte man sagen am "everything goes", das ja bekanntlich im protestantisch-staatskirchlichen Biotop besonders prächtig gedeiht- soll den Exkatholiken Brummer in die Arme der rheinisch-protestantischen Staatskirche betrieben haben.

Goldisch, würde man hierorts sagen. Nun wähnt sich ja der Brummer, der das Lehramt schon aus Gewissensgründen ebenso ablehnt, wie die russischen Anarchisten die "Autorität der anderen", nicht nur im Besitz der Nicht-Wahrheit, sondern glaubt sich, wie alle Antiautoritären auf der Seite der Jungen, der Zukunftsorientierten, der künftigen Sieger der Geschichte, kurz des jugendlich-revolutionären Fortschritts. Die alte Kirche, gemeint ist konkret die katholische, mitgedacht ist aber wie immer auch der "konservative" Protestantismus, habe ja kein langes Leben mehr vor sich.
An ihnen (den Dogmen) verzweifeln aufgeklärte Katholiken. Warum nimmt der römische Apparat das in Kauf? Warum spielt er die Karte der Abgrenzung und hetzt immer deftiger gegen die Protestanten? 
Zwei mögliche Antworten: Die aus Sicht Roms von der Nachbarschaft mit reformatorischen Kirchen infizierten und von der Diktatur des Relativismus bedrohten katholischen Diözesen, in denen der Priestermangel weite Landstriche gemeindlich verödet, sollen einer Art Gottesurteil unterworfen werden: Entweder dieser Teil des Kontinents wird weiter entkatholisiert oder es geschieht ein Wunder und die Schäflein kehren in den Pferch der einzig wahren Kirche zurück. Oder: In Rom hat man tatsächlich verstanden, dass ein mit der Moderne versöhnter Glaube entweder reformatorisch oder unmöglich ist. Aus der berechtigten Sorge, die europäische und nordamerikanische Entwicklung könnte in Südamerika, Asien und Afrika Schule machen, hat man eine Theologie des Unmöglichen entwickelt, um dem reformatorischen Element standzuhalten. Der globale Glaubenskonzern gibt Mittel- und West europa auf, um in anderen Welt gegenden fundamentalistischen Entwicklungen mit rabiatem Konservativismus standhalten zu können.
Die berechtigte Sorge, die europäische und nordamerikanische  Entwicklung könnte in Südamerika, Asien und Afrika Schule machen. Dieser Meinung kann man allenfalls sein, wenn man seine tägliche Lektüre beschränkt auf die Käseblätter des linkschristlichen Spektrums. Die Realität ist ja eine andere. Den siechen europäischen und nordamerikanischen christlichen Gemeinschaften des progressistischen Spektrums vom liberalen europäischen Staatsprotestantismus bis zum protestantoformen Linkskatholizismus, dem die Gläubigen weglaufen -und in noch größerem Maße - wegsterben, stehen junge, dynamische christliche Gemeinschaften in der übrigen Welt gegenüber, die sich den Progressimus der "Alten Welt" mit gutem Grund und zutreffenden Argumenten vom Leib halten. Die Vorgänge in der anglikanischen Weltkirche, wo mittlerweile eine "konservative" Mehrheit in Afrika und anderen ehemaligen britischen Kolonien einer "progressiven" Minderheit gegenübersteht ist symptomatisch. Den Zustand der AltweltAnglikaner ist der einer schrumpfenden Sekte.

Kein neues Szenario. Schon der "Fürstenknecht" Luther lebte ja in der Überzeugung, daß die "veraltete" Kirche alsbald verschwinden würde. 500 Jahre später ist der Lutherische Weltbund eine schrumpfende Sekte mit weltweit gerade einmal 60 Million Gläubigen, die katholische Kirche hingegen eine noch immer wachsende Gemeinschaft von aktuell 1,181 Milliarden Menschen.

Die progressiven (Alt)Katholiken und modernen Staatsprotestanten des 19. Jahrhundert sahen sich nicht anders. Die "aufgeklärten" Christen des 19. Jahrhunderts, denen Wilhelm Busch sozusagen ihren Lieblingscomic, den "Pater Filucius" zeichnete, erkannten sich in der Figur der hübschen jungen "Angelika"wieder, ihre Konkurrenten in der dicklichen alten (katholischen) Petrine, und der verhärmten (lutheranischen) Jungfer Pauline.

Der Realität entsprach das schon damals wohl kaum. Die Krise des preußischen Staatsprotestantismus, die zur ersten Phase des Kulturkampfes führt,  wurde von tiefgläubigen jungen Katholikinnen ausgelöst, in die sich protestantische Beamte verliebten, die aus den Preußischen Kernländern zur Verwaltung in die westfälischen Provinz geschickt wurden. Daraus entstanden dann Ehen, deren weiblicher Teil sich kirchenrechtlich korrekt aber zivilrechtlich unkorrekt mit der katholischen Erziehung der gemeinsamen Kinder durchsetzen konnte und wollte. Eine Staatskrise, ausgelöst von "modernen" protestantischen Herren mittleren Alters und gläubigen jungen katholischen Frauen. Sie endete übrigens mit dem Sieg der jungen Katholikinnen, nachdem auch der preußische König Friedrich Wilhelm IV eine reizende junge bayerische Katholikin geheiratet hatte, in die er sich - völlig gegen die Staatsräson - verliebt hatte.

Wer die Augen aufmacht, wird auch heute feststellen, daß das modernistische linkskatholisch-linksprotestantische Wassersuppenchristentum seine glühendsten AnhängerInnen eher unter spätfeministischen Damen jenseits des Klimakteriums und pensionierten Eigentümern einer Beamtenheimstätte hat. Daß sich der ganz besonders fortschrittliche BDKJ durch einen mittelalten schon nicht mehr ganz taufrischen Berufsjugendlichen jenseits der 40er repräsentieren läßt steht hier pars pro toto.

Junge Menschen, die sich vom Wassersuppenchristentum des staatsprotestanischen Anbiedermeier beeindrucken lassen, sind mir nicht bekannt. Brummer Bekennntis er habe als Teenie "mit roten Ohren" die Frohe Kunde von der protestantischen Beliebigkeit vernommen, halte ich für das Ammenmärchen eines skrupellosen Chefredakteurs, der uns eine veritable Lügengeschichte auftischt.
Mit roten Ohren lag ich auf dem Bett und nahm auf, dass Wyclif den Priestern absprach, Hostien und Wein tatsächlich in Leib und Blut Christi verwandeln zu können. Ich war sehr froh darüber, als zwölf-, dreizehnjähriger Knabe zu erfahren, dass die Evangelischen in der benachbarten Kreuz- oder in der Pauluskirche neben meinem Gymnasium die Worte Jesu „Das ist mein Leib / mein Blut“ nicht wortwörtlich nahmen. Und noch mehr begeisterte mich, dass bei den Protestanten Leute gemeinsam zum Abendmahl gingen, die durchaus unterschiedliche Vorstellungen von der Bedeutung des Mahles hatten. Die einen nahmen Brot und Wein zum Gedächtnis an Christi Erlösungstat, die anderen nahmen die verwandelte Substanz Christi in sich auf.
Nachdem ich ja selbst mal ein dreizehnjähriger Knabe war, möcht ich das doch entschieden in Frage stellen. Ich erinnere mich noch gut an rote Ohren, aber da ging es um die heißen Strophen des Hohen Liedes und ähnlicher "heißer" Stellen im Alten Testament.. Daß ein sehr junger Mensch auf die Infragestellung seiner eigenen, in diesem Alter meist tiefernsten Glaubensüberzeugung "begeistert" reagiert, kann ich nicht glauben, und ein bissel älter als der Herr Redaktör bin ich ja schon. Nun ja, Konvertiten können ja manchmal schon ziemliche Stinkstiefel sein, aber es geht auch anders, wie das Beispiel der hübschen Dame oben zeigt.

Die Ehefrau des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV, Königin Elisabeth von Preußen, hat wohl maßgeblich dazu beigetragen, daß sich die preußische Religionspolitik wieder auf den toleranten Großen Friedrich zurückbesonnen hat. Friedrich Wilhelm beendete den Kulturkampf und stellte im übrigen auch für die Altlutheraner, die unter der Religionspolitik Preußens zu leiden hatten, die volle Religionsfreiheit wieder her. Ihren katholischen Glauben mußte sie, als sie in das refomierte Herrscherhaus Preußens einheiratete, nicht aufgeben. Später trat sie dann doch zur reformierten Kirche über. Eine vorbildliche Konvertitin. Als Reformierte leider nicht zur Heiligsprechung zugelassen.

5 Kommentare:

Nepomuk hat gesagt…

Nicht schlecht, Respekt!

Templarii hat gesagt…

woha!

"Wassersuppenchristentum"
"Anbiedermeier"
"linkskatholisch-linksprotestantische"

Lauter neue Worte, die gefallen mir! Danke :)

Templarii - recognoscere.wordpress.com

Yon hat gesagt…

Ich wünsch mir, ich könnte so optimistisch sein, was die jungen Leute angeht.

jolie hat gesagt…

danke für diesen geistreichen verriss.

insgesamt finde ich es beschämend, dass man keine hemmungen hat, die popularität des papstes für die eigenen niedrigen interessen zu nutzen.

Johannes hat gesagt…

@Yon. Was die jungen Leute in Europa angeht, bin ich keineswegs optimistisch. Mein Optimismus bezieht sich auf die jungen, außereuropäischen Kirchen. Daß der seit Jahrzehnten festzustellende. nahezu an einen Totalausfall heranreichende Ausfall der Katechese wie auch die Banalisierung der Liturgie Folgen hat, läßt sich leider nicht übersehen.